Ich habe mir für meinen letzten Vortrag „Gebt das Hanf frei! Und zwar sofort! ist leicht gesagt…“ einigen Gedanke zur Frage „Wie funktioniert Politik?“ gemacht, denn „Effektiv legalisieren kann nur wer versteht wie Politik funktioniert.“ Fragen wie „Was muss geschehen damit Cannais legalisiert wird?“ oder „Warum ist Cannabis noch immer verboten?“ habe ich versucht unter dem Aspekt praktischer Politik zu beantworten, also ohne lange (ideen-)geschichtliche Abhandlungen, grundlegende weltanschaulich-geprägte Betrachtungen oder fachspezifische Analysen. Aus Gründen der Effizienz habe ich Cannabis in den Fokus gesetzt, wenngleich vieles auch auf andere Drogen und gar andere Politikfelder zutrifft.
Auf die Frage „Wie kommt derzeit in Deutschland ein politischer Beschluß der Regierung und des Bundestages zustande?“ gibt es erst einmal keine einfache Antwort. Interessanterweise scheint kaum jemand darauf gute Antworten zu kennen, selbst die es wissen müssten, die Politikerberater werden in diesem spannenden Artikel über Lobbyismus als kompetenzlos dargestellt. Auch viele meiner geschätzten Kollegen aus der Drogenpolitik sind eher unbedarft bei Fragen der professionellen Interessensvertreter wie sie für Cannabis nötig ist. Da es auch praktisch kaum eine Drogenpolitikforschung gibt, in Deutschland aber auch weltweit, mache ich mich selbst auf den Weg einige Antworten zu finden. Ich hoffe meine mehr als zehn Jahre intensive praktische Erfahrung in der Politik, von der kommunalen parlamentarischen Ebene über die Arbeit im Grüne Jugend Bundesvorstand, bei den Grünen allgemein und in zahlreichenden NGOs sowie der inzwischen mehrjährigen beruflichen Tätigkeit im Bereich Drogenpolitik können mir hier etwas helfen.
Einige Ausführungen zum Thema, die auch in meinen Vortrag schon eingeflossen sind können in meinem aktuellen Artikel im Hanfjournal nachgelesen werden und auch den Artikel von Steffen Geyer zitierte ich hierbei.
Hier zunächst einige Aussage aus meinem Vortrag niedergeschrieben: Warum ist Cannabis noch immer verboten? Weil…
… die Lügen und Fehlinformationen fest in der Gesellschaft verankert sind
… die meisten Cannabiskonsumenten nichts machen
… die Legalisierungsbewegung klein und schwach ist
Diese Antworten sind für mich in erster Näherung erst einmal völlig ausreichend, da brauch ich keine Pharmalobby oder den Geist von Anslinger zu beschwören. Wenn ich im Fortfolgenden tiefer gehe, werde ich die Antworten sicher noch ergänzen müssen, aber sie sind jetzt erst einmal eine sichere Basis zum Starten.
Einige Fakten:
- Die Legalisierung ist möglich, aber sie kommt nicht von alleine.
- Die Legalisierung wird es nur in vielen Einzelschritten geben.
- Die Legalisierung wird im Bundestag von einer Regierungsmehrheit beschlossen werden, vermutlich wird es eine rot-grüne Koalition sein.
- Jeder kann sein Beitrag leisten.
- Progressive Drogenpolitik ist mehr als Kiffen dürfen.
Insbesondere meine Prognose dass es rot-grün sein wird, trifft gerne auf hetigen Widerstand. Hier konnte mir aber auch noch niemand eine wahrscheinlichere Konstellation nennen. Die Piraten und die LINKEN werden bei der kommenden und vermutlich der übernächsten Bundestagswahl nicht in der Regierung landen, dass die CDU hier die SPD überholt ist möglich, aber beliebigig unwahrscheinlich. Natürlich wird die Opposition eine Rolle spielen, aber am Ende vom Tag braucht es eine Regierungmehrheit im Bundestag, sonst ändert sich keine Betäubungsmittelgesetz.
Zur Frage „Wie funktioniert Politik ?“ ist mir eine skrupelose Beschreibung des US-Justizsystems von Sebastian „Shark“ Stark eingefallen, die gut auf die Politik übertragbar ist:
- „Vor Gericht herrscht Krieg. Wer verliert, ist tot.“
- „Die Wahrheit ist relativ, suchen Sie sich eine aus.“
- „Da wir Geschworene haben, sind für uns nur zwölf Meinungen von Bedeutung. Für Gerechtigkeit in dieser Welt muss der liebe Gott schon selbst sorgen.“
Der letzte Satz lautet übertragen: Am Ende vom Tag ist es nur wichtig dass 50% + 1 Abgeordneter im Bundestag im richtigen Moment seine Hand hebt, der Rest ist ziemlich unerheblich. Der Satz „Die Wahrheit ist relativ, suchen Sie sich eine aus.“ gibt ganz gut das wieder was über das Narrativ im Lobbyismusartikel erzählt wurde.
Platte Feindbilder oder Verschwörungstheorien helfen hier nicht, nein sie verklären eher die Blick auf die komplexte Realität. Gerade auf Facebook wimmelt es Aussage auf einem Stammtisch-Niveau oder darunter. Schön kritisiert und wiederlegt wurden solche feindbildbasierten Aussage, wie sie auch in zahlreichenden redaktionellen Beiträgen in Zeitungen zu lesen waren, in einem Beitrag von Jörg Sauskat zum sog. „57 Sekunden-Beschluß“.
So schließe ich für heute mit: Ceterum Politik ist das Bohren von dicken Brettern. Wenn die Legalisierung einfach wäre, hätten wir sie bereits! Morgen dann mehr zur Frage „Was kann jeder tun?“ wie z.B. spendet oder werden DHV Mitglied, nervt Politiker, schreibt Leserbriefe, verteilt Infomaterial, bildet euch, objektiv und vielseitig, versetzt euch in die Gegenseite und vernetzt euch.