Diskussion im Landtag Schleswig-Holstein & Stellungnahmen

Im Landtag Schleswig-Holsteins sind derzeit zwei Anträge zum Thema Drogenpolitik auf der Tagesordnung. Der Sozialausschuß hat für die weitere Beratung Stellungnahmen von Fachverbänden erbeten. Hier die Anträge sowie alle Stellungnahmen: Weiterlesen

Eine Ethik der Verantwortung und Wirksamkeit

„Als normative Grundlage für eine alternativen Drogenpolitik braucht es kaum mehr als den politischen Anspruch Probleme zu mindern ohne neue schaffen zu wollen, einige konsensfähige Grundthesen für einen realistische, evidenz-basierte und humane Drogenpolitik, kombiniert mit einer Ethik der Verantwortung anstelle moralistischer, unrealistischer und paternalistischer Abstinenzideologien.“

Um diese Ethik der Verantwortung und Wirksamkeit statt Ideologie = Gesinnungsethik geht es auch im ersten Kapitel von „Nach dem Krieg gegen die Drogen: Modelle für einen regulierten Umgang“ (die gesamte PDF gibt es hier und weitere Informationen dazu hier)

1.1 Eine Ethik der Wirksamkeit Weiterlesen

Mehr Cannabis als Medizin!

Die Probleme hier sind hinlänglich bekannt: Cannabis ist praktisch nicht verfügbar bzw. zu teuer, die Konsumenten leiden unter der Verfolgung und ein Eigenanbau ist nicht möglich. Neben den Effekten für die betroffenen Patienten (0,1 – 1% der Bevölkerung könnten profitieren, siehe Grotenhermen 2013) tragen Fortschritte in diesem Bereich auch zu einer Normalisierung beim Umgang mit Cannabis bei. In diesem Themengebiet ist die Zustimmung innerhalb der Bevölkerung sehr groß, die Politik ist trotz Handlungsbedarf praktisch untätig.

Seit 2008 haben 148 Personen einen Antrag für Cannabis zu medizinischen Zwecken beim BfArM gestellt und besitzen eine gültige Ausnahmegenehmigung für den Erwerb von Cannabisblüten aus einer Apotheke. Zudem laufen Prozesse zu abgelehnten Anträgen zum Eigenanbau. Jede Genehmigung mehr erhöht den Druck auf die Politik hier endlich aktiv zu werden. Wenn ihr also unter einer der folgenden Diagnosen leidet oder jemanden kennt, los gehts: Chronische Schmerzen, Multipler Sklerose, Tourette-Syndrom, Depressive Störung, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, Blepharospasmus, Bronchialkarzinom (Schmerz), Hepatitis C & HIV-Infektion, Hereditäre motorisch-sensible Neuropathie mit Schmerzzuständen und Spasmen, Morbus Crohn, Posner-Schlossmann-Syndrom, schmerzhafte Spastik bei Syringomyelie, Tetraspastik nach infantiler Cerebralparese, Thalamussyndrom bei Zustand nach Apoplex

  • Alles was man zum Thema Cannabis wissen muss
  • Anleitung zur Beantragung einer Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung von Cannabis bei der Bundesopiumstelle
  • Hilfe beim Ärzte finden oder direkt zu ihm fahren

 

Von „geringen Mengen“ und der Nichtentkriminalisierung der Konsumenten

Mit der Einführung des § 31a BtMG QUELLE und dem Urteil des BverfG 1994 QUELLE würde die Entpönalisierung, also die Möglichkeit eines Absehens von Strafe beim Besitz, Erwerb… einer geringen Menge zum Eigengebrauch geschaffen. Der Begriff der geringen Menge wurde vom Gesetzgeber nicht definiert. Während der BGH sich um eine Festlegung der ebenfalls im Gesetz nicht definierten „nicht geringen Menge“ QUELLE kümmerte, obliegt die Festlegung der „geringen Menge“ in Deutschland praktisch den Landesjustizministern. Ihre Anweisungen an die Staatsanwaltschaften in Form entsprechender Rechtverordnungen QUELLE legen je nach Einschätzung der Landesregierung fest, bis zu welcher Menge, sowie unter welchen Bedingungen das Verfahren eingestellt werden soll oder kann. Die zahlreichen Bedingungen, Ausnahmenregelung für Jugendliche und der Ermessensspielraum der Staatsanwaltschaften sorgen für eine höchst unterschiedliche Rechtspraxis – selbst innerhalb einzelner Bundesländer QUELLE. Bis heute ist auch noch keine bundesweit einheitliche „geringe Menge“ oder gar Rechtspraxis gefunden, wie sie 1994 vom BverfG Quelle eingefordert wurde.

Die „geringe Menge“ für Cannabis schwankt zwischen 6 und 15 Gramm, einzelne Bundesländer haben darüber hinaus auch eine „geringe Menge“ von 0,5 bis 2 Gramm für Heroin, Kokain und Amphetamin sowie eine bestimmte Anzahl Ecstasy Tabletten (MDMA etc.) festgelegt. Während die meisten Bundesländer dies über öffentliche Verordnungen tun, ist dies beispielsweise in Bayern eine vertrauliche Dienstanweisung und in einzelnen Bundesländern gibt es keine formale Verordnung, sondern nur eine etablierte Rechtspraxis. Eine etablierte Rechtspraxis hat auch jede Staatsanwaltschaft für sich bei jenen Substanzen, für die es keine „geringe Menge“ Regelung gibt. Orientierungspunkt ist hier meist die höchstrichterlich festgelegte „nicht geringe Menge“.  QUELLE zu Übersicht

Vgl. hierzu: MPI Studie Schäfer

Ebenso führt das Instrumente „Therapie statt Strafe“ nicht zu dem Erfolg:.Öfter ins Gefängnis, seltener in Therapie  QUELLE

http://www.sueddeutsche.de/s5238M/459094/Oefter-ins-Gefaengnis-seltener-in-Therapie.html??

Cannabis als Ausstiegsdroge – Linksammlung

Die IACM schreibt: Nach historischen Berichten und einigen Kasuistiken ist Cannabis ein gutes Mittel zur Bekämpfung der Entzugssymptomatik bei Benzodiazepin-, Opiat- und Alkoholabhängigkeit. Es wird daher auch gern als Ausstiegsdroge bezeichnet. Dabei spielt möglicherweise sowohl die Verminderung körperlicher Entzugssymptome als auch die Reduzierung der mit der Aufgabe des Suchtmittelkonsums verbundenen stressenden Gefühle durch Cannabis eine Rolle.

Hier einige Links zum Thema:

Jahrbuch Sucht 2012

Am 12. April 2012 stellte die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V. in Berlin das Jahrbuch Sucht 2012 vor.

Das Jahrbuch Sucht 2012 fasst die aktuellen Statistiken zum Konsum von Alkohol, Tabak, Arzneimitteln, illegalen Drogen sowie zu Essstörungen, Glücksspiel, Delikten unter Alkoholeinfluss und Suchtmitteln im Straßenverkehr zusammen; informiert über die Leistungen der Suchthilfe und Rehabilitation Suchtkranker; behandelt als aktuelle Themen „Suchtmittelkonsum und Prostitution in Deutschland“ sowie „Lobbyismus im Glücksspielbereich“ ; setzt die Serie „Was Sie außerirdischen Besuchern besser nicht zu erklären versuchen“ mit dem Thema „Suchthilfe im Gefängnis“ fort; liefert ein umfangreiches Adressverzeichnis deutscher und europäischer Einrichtungen im Suchtbereich.

Pressemitteilungen und Jahrbuch Sucht 2012
Pressemitteilungen und Jahrbuch Sucht 2012

Erstmalig erschien das Jahrbuch bei Pabst Sciene Publishers

Dr. Rüdiger Meierjürgen (Barmer GEK), Dr. Raphael Gaßmann (Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V.), Gabriele Bartsch (Referentin für Grundsatzfragen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V., Hamm) und Prof. Dr. Gerhard Meyer (Institut für Psychologie und Kognitionsforschung, Bremen)
Dr. Rüdiger Meierjürgen (Barmer GEK), Dr. Raphael Gaßmann (Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V.), Gabriele Bartsch (Referentin für Grundsatzfragen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V., Hamm) und Prof. Dr. Gerhard Meyer (Institut für Psychologie und Kognitionsforschung, Bremen)
Pressekonferenz Jahrbuch Sucht 2012 - Podium
Pressekonferenz Jahrbuch Sucht 2012 – Podium

Neben den Pressevertretern waren mindestens drei Vertreter des Büro der Drogenbeauftragten und ein Vertreter einer Alkoholselbsthilfe Zeitung anwesend.

Pressemitteilung zum Jahrbuch Such 2012
Pressemitteilung zum Jahrbuch Such 2012

Neben den obigatorlischen Daten, Zahlen und Fakten, Beiträgen zu einzelnen Suchtstoffe, Suchtformen und ihre Auswirkungen sowie der Suchtkrankenhilfe in Deutschland sind im Jahrbuch auch drei Artikel zu aktuellen Themen zu finden. Neben »Suchtmittelkonsum und Prostitution in Deutschland« und »Lobbyismus im Glücksspielbereich« hat Raphael Gaßmann den vierten Teil seiner Kolumne „Was Sie außerirdischen Besuchern besser nicht zu erklären versuchen …“ zum Thema „Suchthilfe im Gefängnis“ geschrieben. Auf eine Nachfrage meinerseits stellte Gaßmann seine Motivation für das Thema sowie den Inhalt seines Beitrag vor.

Er wählte das Thema weil es unpopulär und für Politiker unwichtig ist, den Wählerstimmen lassen sich mit der Vertretung der Interessen drogenabhängiger Gefängnisinsassen kaum gewinnen. Gefangene haben keine Gewerkschaft oder sonst eine Lobby. Die Gesundheitsversorung in Haft, insbesondere im Bereich Sucht ist katastrophal. Die Lage Anhängiger ist dramatisch dass dagegen geklagt werden müsse. Er berichte von einer Klage in Bayern, die auch erfolgsversprechend sein. Leser dieses Blogs konnten bereits letztes Jahr im Beitrag „Wie kann in der JVA eine Substitution erreicht werden?“ davon lesen. Substitution ist eine erwiesenermaßen sinnvolle Maßnahme und wird als normaler Leistungsanspruch von den Krankenkassen finanziert. Trotzdem wird nur in einem 1/3 Drittel der Gefängnisse überhaupt Substitution angeboten. Nur in einer von 250 Anstalten wird die notwendige Dauersubstitution angeboten. In zwei bis drei Jahren wird es hierzu endlich Urteile geben, Gaßmann bewertete in dem Verweigern dieser Behaldung eine Körperverletzung. Gesundheit muss auch im Gefängnis ein Thema sein. Struktuell sollten besser die Gesundheitsministerien zuständig sein, die derzeitige Betreuung des Themas durch die Justizministerien ist sach- und sachfremd.

Empfehlungen der Global Commission on Drug Policy

Aus der deutschen Übersetzung von des Berichts der Weltkommission für Drogenpolitik aus dem Juni 2011 herausgegeben vom Fachverband Sucht, Zürich 2012, www.fachverbandsucht.ch

Empfehlungen der Global Commission on Drug Policy

1. Das Tabu brechen. Eine offene Diskussion führen und eine Politik fördern, die den Konsum wirksam einschränkt und die Schäden verhindert und verringert, die mit dem Drogenkonsum und der Politik zur Drogenbekämpfung zusammenhängen. Verstärkt in die Forschung und Analyse der Wirkung von verschiedenen politischen Handlungskonzepten und Programmen investieren.
2. Anstelle der Kriminalisierung und Bestrafung von Drogenkonsumierenden Gesundheitsleistungen und Therapieangebote für jene bereitstellen, die sie benötigen.
3. Staatliche Modellversuche für eine gesetzliche Reglementierung von Drogen (zum Beispiel von Cannabis) fördern, die darauf ausgerichtet sind, die Macht des organisierten Verbrechens zu untergraben und die Gesundheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.
4. Für das Erfassen der Fortschritte bessere Messsysteme, Indikatoren und Ziele einführen
5. Die verbreiteten falschen Vorstellungen über Drogenmärkte, Drogenkonsum und Drogenabhängigkeit in Frage stellen, statt sie zu bekräftigen.
6. Jene Länder, die (trotz der heute vorliegenden Erkenntnisse) weiterhin vorwiegend in Strafverfolgungsmassnahmen investieren, sollten ihre repressiven Aktivitäten auf die gewalttätige organisierte Kriminalität und die Drogenhändler konzentrieren, um die schädlichen Auswirkungen im Zusammenhang mit dem illegalen Drogenmarkt zu verringern.
7. Alternative Strafzumessungen für Kleindealer und erstmalige Dealer fördern
8. Mehr Mittel in die evidenzbasierte Prävention investieren, mit spezifischer Ausrichtung auf junge Menschen
9. Eine breite und leicht zugängliche Palette von Therapie- und Betreuungsangeboten für Drogenabhängige bereitstellen, einschliesslich Substitutionstherapie und heroingestützter Behandlung, mit spezieller Berücksichtigung von besonders gefährdeten Personen, einschliesslich von Personen in Strafanstalten und anderen geschlossenen Einrichtungen.
10. Das System der Vereinten Nationen muss bei der Reform der weltweiten Drogenpolitik eine Führungsrolle übernehmen. Es muss einen wirksamen, evidenzbasierten Ansatz fördern, die Staaten bei der Entwicklung einer Drogenpolitik unterstützen, die auf ihre Verhältnisse abgestimmt ist und ihre Bedürfnisse abdeckt, und die Kohärenz zwischen den verschiedenen Stellen der Vereinten Nationen sowie den Strategien und Übereinkommen im Drogenbereich sicherstellen.
11. Dringend Massnahmen treffen: Der Krieg gegen die Drogen ist gescheitert, die Drogenpolitik muss jetzt geändert werden.