Die Pharma: Globuli und Ritalin unter einem Dach?

„Die Pharma“ ist ein beliebtes Feindbild unter „alternativ“ denkenden Personen. Abgesehen davon dass ich nicht viel von primitiven Freund-/Feindschemata halte, die als bequeme Universalerklärung innerhalb eines abgeschlossenen Weltbildes, bin ich heute über einen schönen Widerspruch gestoßen. Auch wenn ich wenig Hoffnung habe dass jemand dadurch ernsthaft ins Grübeln gerät, für ein paar kognitive Dissonanzen sollte es ausreichen.

Das Bild von „der Pharma“ zeichnet diesen Wirtschaftszweig als eine Einheit. Bei Verschwörungen wie dem angeblichen Zurückhalten von Heilmitteln für Krebs und AIDS agieren sie als ein Kartell, bei dem keiner ausschert und das Heilmittel doch auf den Markt bringt. Keiner der Beteiligten wagte es das Schweigen zu brechen, die Konkurrenz bloßzustellen und mit einem Heilmittel für Krebs Ruhm und ein Vermögen zu verdienen. Neben der Bösartigkeit dass Firmen im Kapitalismus mit Arzneimitteln und nicht mit Armbanduhren Geld verdienen, erfindet die Pharma zahlreiche Krankheiten wie ADHS und verteilt fleissig Kinder-Koks („Ritalin“).

Das Feindbild „Pharma“ gilt aber interessanterweise scheinbar nicht für die Hersteller von „alternativer Medizin“ wie Homoäpathie. Da ist es egal wie vollgepackt mit Werbung und Gewinnstreben deren Websites sind.

Nun meine Frage an alle Homoäpathie-Fans, Pharma-Hasser und ADHS-Leugner: Wie erklärt ihr euch die Firma Medice? Das ist mittelständisches Unternehmen, welches gleichzeitig das vielleicht bekannteste homöopathische Arzneimittel Meditonsin vertreibt und gleichzeitig der Hersteller meines ADHS-Medikamentes Medikinet Adult, also „Ritalin für Erwachsene ist. Für Kinder gibt es neben Methylphenidat von Medice auch Dexamphetamin…

Und was sagen Impfgegner zu Meditonsin dass aus Aconitin (Neurotoxin, Alkaloid von Pflanzen der Gattung Eisenhut), Atropin (Nachtschattenalkaloid, zu finden in Engelstrompeten und Tollkirschen) und Quecksilber, alles in homöopathischen Dosen versteht sich, besteht? Macht nun die Dosis das Gift? Dann wäre z.B. Formaldehyd kein Thema mehr da jeder Apfel 100 Mal mehr davon enthält als eine Impfdosis? Oder gilt auch hier die Totalschlagargumentation „Es ist auf jeden Fall nachher mehr Formaldehyd im Körper also vorher, mit dem sich unser Immunsystem auseinandersetzen muss. Solche Behauptungen zu verbreiten, grenzt an verbaler Körperverletzung. […] Sie können das Risiko nur dadurch senken, indem Sie allopathische Medikamente und Umweltchemikalien nach Möglichkeit meiden. “

PS: Ja, ich weiß dass einzelne pharmazeutische Unternehmen genug Dreck am Stecken haben.

Cannabidiol: Woher kommt die Verwirrung um die rechtliche Einstufung?

Ist CBD ein Arzneimittel oder darf es frei verkauft werden? Welche Regeln muss ein Kunde aus Deutschland oder ein Shop aus der Schweiz beachten? Welchen Unterschied können Verpackung und Beschreibung, CBD-Konzentration oder die Gesamtmenge CBD pro Packung ausmachen?

Zu diesen Fragen soll ich einen Artikel für das in.fused Magazin von Sens Media schreiben. Die Quintessenz könnt ihr dann in der kommenden Ausgabe nachlesen.

Um das Thema selbst besser zu verstehen, habe ich mir einen Crashkurs in Sachen Produktabgrenzung verpasst. Dieses Thema begleitet mich als Drogenpolitiker schon seit vielen Jahren. In der Vergangenheit gab es immer wieder Diskussionen und Prozesse ob Substanzen wie Salvia Divinorum oder „Legal Highs“ dem Arzneimittelrecht unterliegen. Mit diesem Konstrukt konnten die Behörden gegen Händler vorgehen und den Verkauf außerhalb von Apotheken untersagen bis die Substanz ihren Weg in das Betäubungsmittelgesetz gefunden haben. Als der EuGH dieser Praxis ein Riegel vorschob reagierte die Regierung mit dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz. Aber nun zurück zum eigentlichen Thema…

Angesichts des Inhaltes des Artikels möchte ich nochmal explizit darauf hinweisen dass ich kein Jurist bin und ich keine Haftung für die Richtigkeit oder Vollständigkeit meiner Aussagen übernehme. Der Artikel spiegelt meinem Kenntnisstand als Laie wieder und beschreibt wie ich mir das Thema aktuell erkläre.

Produktabgrenzung über Positivlisten oder bestimmte Eigenschaften

Die rechtliche Einordnung von Stoffen erfolgt meistens über zwei Wege. Entweder gibt es eine Positivliste in der der Stoff explizit genannt wird oder das Gesetz definiert die von ihm erfassten Stoffe über bestimmte Eigenschaften. Weiterlesen

CDU, Grüne und FDP für Cannabis-Modellprojekt

Zitat:

Drogenpolitik

Die Drogenpolitik der Koalition ist durch einen ganzheitlichen Ansatz geprägt. Wir werden eine kohärente Drogen- und Suchtpolitik weiterentwickeln und auf Prävention, Beratung, Therapie und Entkriminalisierung statt auf Repression setzen.

Die Möglichkeit zur kontrollierten Freigabe von Cannabis im Rahmen eines Modellprojektes werden wir prüfen.

Kinder und Jugendliche sind vor Drogenkonsum besonders zu schützen, deshalb werden wir Schulen, Kindertagesstätten sowie Spiel- und Sportstätten von Drogen vollständig freihalten.

Den vollständigen Koalitionsvertrag findet man u.a. hier.

Die Polizei hat ein Problem mit Cannabis

Bisher erhielten Cannabiskonsumenten Anzeigen wegen des „unerlaubten Besitzes ohne Genehmigung für den Erwerb“. Das macht Sinn bei Substanzen aus Anlage I BtMG. Dies dürfen nur mit Genehmigung erworben und damit besessen werden.

Bei Substanzen aus Anlage III BtMG sieht es anders aus. Diese Substanzen können verschrieben werden und wer sie mit einem Rezept erwirbt braucht explizit keine Genehmigung des BfArM dazu. Daher braucht auch kein Patient – zumindest in der Theorie – irgendeinen Nachweis für die Legalität seines Cannabis mit sich zu führen.

Woran erkennt nun ein Polizist ob gefundenes Cannabis aus Anlage I oder III stammt? Aus Anlage I ist es ohne Genehmigung klar illegal, aus Anlage III braucht der Besitzer kein Nachweis…

GW Pharmaceuticals gehört nicht Bayer-Monsanto

Wie ein Blick auf die NASDAQ Seite zeigt: Die Firma hat 190 Inhaber. 74,60% der Aktien der Firma gehören institutionellen Beteiligungen. Insgesamt gibt es 18,9 Millionen Aktien.

Die fünf wichtigsten Inhaber (institutionellen Beteiligungen) von Aktien sind:

CAPITAL RESEARCH GLOBAL INVESTORS
PRUDENTIAL PLC
SCOPIA CAPITAL MANAGEMENT LP
FMR LLC
VIKING GLOBAL INVESTORS LP

Diesen 5 Firmen, meist Investmentgesellschaften u.ä. gehören fast 50% der Aktien. Bei keiner Firma fand ich einen direkten Zusammenhang zur Firma Bayer.

Den Ursprung habe viele Irrtümer und Verschwörungstheorien zu diesem Thema in einer Kooperation zwischen GW Pharma und Bayer. Bei dieser geht es um die Vertriebsrechte von Sativex in Großbritannien. Ein solche Vereinbarung hat GW Pharma auch mit Novartis für die Regionen Asien (außer China und Japan), Afrika und den mittleren Osten (ohne Israel).

Siehe auch Website von GW Pharma: Sativex®is licensed to Otsuka Pharmaceutical Co. Ltd in the United States, to Almirall S.A. in Europe (excluding the United Kingdom), to Bayer HealthCare AG in the UK and Canada, and to Neopharm Group in Israel/Palestine.

Behandlung von Patienten mit Spastik aufgrund einer multiplen Sklerose mit Cannabis-Medikamenten anstelle von Sativex

Die Patientengruppe die am ehesten eine Behandlung mit einem Cannabis-Medikament erhalten sind leiden an MS. Das Fertigarzneimittel Sativex ist für den Fall einer therapierestistenten Spastik zugelassen und wird von den Krankenkassen bezahlt. Sativex ist ein Cannabispflanzenextrakt und enthält etwa zu gleichen Teilen THC und CBD. Das Präparat wird als Spray über den Mund aufgenommen.

Problematischer Inhaltsstoff: Alkohol

Neben den Cannabis-Wirkstoffen enthält Sativex jedoch auch einen großen Anteil an Alkohol. Dieser Zusatz ist bei einigen Patientengruppen (ehemalige Alkoholiker, Kinder, Menschen mit Problemen im Mundraum, Schwangerer etc.), in Kombination mit anderen Medikamenten sowie im Bezug auf den Straßenverkehr von Nachteil.

Für einige Patienten die bessere Wahl: Cannabisblüten

Sativex kann für Menschen mit MS eine wirksames Mittel sein, anderen helfen jedoch Cannabisblüten besser. Dies könnte unterschiedliche Ursachen haben:

  • Sativex ist nur eine fixe Kombination aus THC und CBD, verschiedene Cannabisblüten erlauben mehrere Auswahl
  • In Cannabisblüten können weitere wirksame Cannabinoide und Terpene enthalten sein, die inm Sativexspray fehlen
  • Bessere und genauere Dosierbarkeit und schnellere Wirkung von inhaliertem Cannabis anstelle der Aufnahme über den Mund

Ein Beleg für die Überlegenheit von Cannabisblüten gegenüber Sativex ist der hohe Anteil an MS Patienten bei den Inhabern einer Ausnahmegenehmigung für den Erwerb von Cannabis aus der Apotheke. Mit etwa 15,5% machen sie die größte Gruppe nach den Schmerzpatienten aus. Die Erlaubnis wird nur erteilt wenn andere Therapieoptionen – wie z.B. Sativex – keine ausreichende Wirkung gezeigt haben.

Cannabis kann mehr

In Studien wurden Cannabis-Medikamente nicht nur für die Spastik bei MS eingesetzt sondern auch bei den Indikationen Tremor, Blasendysfunktion, Fortschreiten der Erkrankung, Entzündung und kognitive Leistungsfähigkeit eingesetzt. Auch gegen Begleiterkrankungen wie Schlafprobleme und Depressionen wird Cannabis von Patienten erfolgreich eingesetzt.

Multiple Sklerose und Cannabis – das passt

Das neue Cannabis als Medizin Gesetz stößt in der Praxis noch auf zahlreiche Probleme. Ärzte fehlt es an Studienlage, Informationen zur Dosierung und etc. Der Einsatz von Cannabisblüten bei MS durch einen Neurologen der bereits Sativex eingesetzt hat dürfte allerdings so ziemlich der einfachste Fall sein. Cannabis bei MS genießt bei den Betroffenen und ihren Ärzten auch dank Sativex einen guten Ruf – im Vergleich zu den Reaktionen von Psychiatern oder einigen ADHS Foren bei diesem Thema. Auch ist ein Anschlagen der Therapie hier deutlich sichtbar.

Für Neurologen und anderen Ärzte mit MS-Patienten

Ärzte, die sich vorstellen können Cannabisblüten zu verschreiben und einigen ihren Patienten damit zu einer besseren Behandlung zu verhelfen können sich auf ihr Erfahrungen stützen. Blüten mit einem ausgeglichenen Verhältnis von THC und CBD wie die Sorte „Bediol“ (6,3% THC 8% CBD) der niederländischen Firma Bedrocan sind in ihrer Wirkung, der Dosierung und den Nebenwirkungen Sativex sehr ähnlich. Eine Alternative zum alkoholischen Extrakt Sativex kann auch die Kombination aus einer öligen Dronabinol und CBD Lösung sein. Diese können als Rezepturarzneimittel verordnet werden.

Dosierungsvorschlag basierend auf den Informationen über Sativex (Nabiximols)

Sativex enthält 2,7 mg THC und 2,5 mg CBD pro Sprühstoß.

Als Rezepturen können verordnet werden: „Ölige Dronabinol‐Tropfen 25 mg/ml (NRF 22.8.)“ sowie „Ölige Cannabidiol‐Lösung 50 mg/ml (NRF 22.10.)“

Andere Konzentrationen sind möglich. Im Idealfall haben beide Lösungen die gleiche Konzentration => gleiche Tropfenzahl.

Ein Sprühstoß Sativex kann ersetzt werden durch: 2,5 mg Dronabinol (THC) entspricht 3 Tropfen einer 2,5% Lösung + 3 mg CBD entspricht 2 Tropfen einer 5,0% Lösung

Beim Einsatz von Cannabisblüten der Sorte Bediol 6,3% THC 8% CBD:

Ein Sprühstoß Sativex kann ersetzt werden durch: 50 mg Blüten entsprechen 6,3 mg THC und 4 mg CBD (bei einer inhaltiven Aufnahme kann die Einzeldosis etwas größer sein)

Ergänzung zum formalen Antrag auf Kostenerstattung von Cannabisblüten

Folgende Passage habe ich dem Fragebogen des MDK als Ergänzung meines Antrages auf Kostenerstattung angefügt. Angepasst an den eigenen Fall können andere Patienten gerne meine Formulierung für den eigenen Antrag nutzen. Als Gegenleistung würde ich mich über Berichte zu den Ergebnissen, insbesondere für die Diagnose ADHS bedanke.

„Ich möchten Sie bitten, über meinen Antrag möglichst zeitnah zu entscheiden, damit die Therapie rasch weitergeführt kann. In diesem Zusammenhang weise ich auf die 3 bzw. 5-wöchige Frist und die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V hin. Kein hinreichender Grund im Sinne des Gesetzes ist Organisationsverschulden.

Aufgrund meiner Anträge auf Erstattung von Dronabinol und Cannabisblüten zur Zeit vor der heutigen Rechtslage sollten ihnen zusammen mit diesem Fragebogen alle wesentlichen Dokumente bereits vorliegen, vgl. § 65 Abs.1 Punkt 3 SGB I.

Der Gesetzgeber hat mit seiner Formulierung dass die Genehmigung einer Cannabis-Therapie nur in begründeten Ausnahmefällen verweigert werden darf, klar formuliert dass hier im Gegensatz zu anderen Anträgen z.B. bzgl. Off-Label-Use eine außergewöhnlich hohe Hürde für eine Ablehnung anliegt. Dies gilt insbesondere für die ersten Adressaten des Gesetzes, den Erlaubnisinhabern nach §3 BtMG wie mich.

Zudem sind die Preise für Cannabisblüten von den bisher 75 € auf 110-120 € pro Dose Bedrocan gestiegen, daher ist auch die bisherige Versorgung auf eigene Kosten deutlich eingeschränkt.“

Cannabisblüten „ohne weiteres“ auf Privatrezept verschreiben?

Folgende Frage eines Patienten sah ich auf Facebook:

„Ich bin ADHS Patient und habe mal ein paar fragen: Es ist richtig, das mein arzt mir das rezept PRIVAT ohne weiteres verschreiben kann richtig?“

Diese konkrete Frage ist aufgrund der Diagnose eine gute Vorlage um die Voraussetzungen für die Verschreibung eines Betäubungsmittels wie Cannabisblüten als Privatrezept zu thematisieren.

Ein BtM-Rezept als Privatrezept für Cannabisblüten darf ein Arzt auch nicht einfach so ausstellen. Wie bei jedem Rezept muss er seiner ärztlichen Sorgfaltspflicht nachkommen. Sind seine Fähigkeiten auf dem Gebiet der Cannabismedizin unzureichend, darf er die Behandlung nicht übernehmen.

Cannabisblüten, Extrakte und Rezepturen sind keine zugelassenen Arzneimittel. Die Anwendung von Fertigarzneimitteln wie Sativex und Casemet ist nur für jeweils eine Indikation zugelassen. Andere Anwendungen sowie die Nutzung anderer Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol, Nabilon oder Marional ist nur Off Label möglich. Ebenso nicht zugelassen ist CBD als Rezepturarzneimittel.

Der Arzneimittelhersteller haftet nur für Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei einer Anwendung im Rahmen der Zulassung. Der sog. „Beipackzettel“ informiert über korrekte Anwendung, Dosierung und die Nebenwirkungen. Diese Verantwortung geht bei Cannabis-Arzneimittel, abgesehen von den beiden oben erwähnten Ausnahmen komplett auf den Arzt und in Teilen den Apotheker, der das Arzneimittel ggf. zubereitet und dann an den Patienten abgibt, über.

Für Betäubungsmittel wird zudem in § 8 BtMG explizit eine Begründung für die Verschreibung gefordert. Die Anwendung ist rechtlich insbesondere dann nicht begründet, „wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.“ Damit ist auch hier eine gewisse Austherapiertheit erforderlich, zumindest was Nicht-BtM-Arzneimittel angeht. Im konkreten Fall (ADHS) ist sowohl ein Therapieversuch mit Methylphenidat (BtM, Mittel der ersten Wahl) und Atomoxetin (Mittel der zweit… eher dritten Wahl, aber kein BtM) erforderlich bevor der Arzt ein BtM-Privat-Rezept ausstellen darf.

Siehe auch: Begründete Verschreibung von Betäubungsmitteln in der Praxis

vgl. auch Dr. Cremer-Schaeffer

• der Verschreibende aufgrund eigener Untersuchung zu der Überzeugung gekommen ist, dass die Anwendung nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft zulässig und geboten ist und der Patient nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar Schaden erleidet; hierbei sind nur die allgemein oder weitaus überwiegend anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft maßgebend, nicht aber die hiervon abweichende wissenschaftliche Überzeugung einzelner Ärzte.

gilt als nicht begründet, wenn
• auch eine andere den Patienten weniger gefährdende Maßnahme in Betracht kommt
• die verordnete Menge medizinisch nicht gerechtfertigt ist, selbst wenn dies hinsichtlich der später am Patienten angewandten Menge der Fall sein sollte
• bei Missbrauchsgefahr der bestimmungsgemäße Gebrauch des BtM nicht sichergestellt ist

Begründete Verschreibung von Betäubungsmitteln in der Praxis

Für das Verschreiben von Betäubungsmitteln ist in § 8 BtMG explizit eine Begründung für die Verschreibung gefordert. Die Anwendung ist rechtlich insbesondere dann nicht begründet, „wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.“

Dürfen direkt verschrieben werden: Mittel der ersten Wahl

Ein begründeter Zweck ist Zweck ist die Anwendung von Mitteln der ersten Wahl. Wenn der Stand der Wissenschaft Betäubungsmittel bei einer bestimmten Indikation als Mittel der ersten Wahl bewertet und Arzneimittel, die keine Betäubungsmittel sind, als zweite Wahl anzusehen sind, begründet dies die Verschreibung des Betäubungsmittel.

Ärzte nutzen Leitlinien…

In der Regel recherchiert der Arzt nicht selbst, sondern handelt gemäß medizinischer Leitlinien oder anderer evidenzbasierter Handlungsempfehlungen. Eine Begründung für die Anwendung beinhalten neben dem Mittel das verschrieben werden soll auch Dosierung und berücksichtigt Kriterien zur Nutzen / Risiko Bewertung, Kontraindikationen etc.

die es für Cannabis noch nicht gibt

Bei Cannabis als Medizin gibt es kaum fundierte Empfehlungen für Ärzte wie es für andere Medikamente üblich ist. Der Arzt muss daher bei Cannabis deutlich mehr Aufwand betreiben. Eine wissenschaftlich fundierte, praxisorientierte Zusammenstellung der Wissens für unterschiedliche Cannabis-Medikamente und Indikationen wird ein zentrales Element für die Etablierung von Cannabis als Medizin.

Beispiel ADHS: Zunächst ist einer Therapieversuch mit Methylphenidat angezeigt. Dieses ist ein Betäubungsmittel, darf aber als Mittel der ersten Wahl zuerst verschrieben werden. Danach folgt Atomoxetin. Dieses ist kein BtM, aber nur Mittel der zweit… eher dritten Wahl.

Siehe auch: Cannabisblüten „ohne weiteres“ auf Privatrezept verschreiben?

Diskussion: Keine Sonderbehandlung für Erlaubnisinhaber und das ist gut so!

„Weiß jemand ob es stimmt dass es für die Patienten mit vorhandener Erlaubnis eine Sonderregelung gibt? Habe gehört dass der MDK bei Patienten mit Erlaubnis definitiv nicht ablehnen dürfen.“

Nein, im Gesetz ist keine Sonderbehandlung für Erlaubnisinhaber vorgesehen. Die Entscheidung des BfArM zugunsten der Erlaubnis und die damit verbundene Prüfung des Einzelfall kann dem medizinischen Dienst der Krankenkassen bei der eigenen Prüfung völlig egal sein. Politisch und vor Gericht sieht das anders aus, aber dorthin müssen wir erst einmal kommen. Wie groß die Erfolgsquote unter Erlaubnisinhaber sein wird und wer keine Übernahme bekommt, das wird sich zeigen. Aktuell liegen mir noch viel zu wenig Entscheidungen der Krankenkassen vor um etwas mit Sicherheit sagen zu können.

„Echt Mies. Hätten echt nen Verweis machen sollen.“

Auch wenn ich selbst davon betroffen bin: Warum? Mit welchem Recht hatte man diese Gruppe pauschal gegenüber allen anderen Patienten privilegieren sollen? Warum wieder Extraregeln statt einheitlicher Maßstäbe für alle? Cannabis ist nun eh schon explizit privilegiert gegenüber allen anderen Medikamenten. Außerdem haben wir in Deutschland eine gemeinsame Selbstverwaltung des Gesundheitssystem, das Parlament darf und sollte hier nichts für den Einzellfall vorschreiben.

Es ist ähnlich wie mit der Unabhängigkeit der Justiz. Auch hier darf das Parlament die Regeln = Gesetze festlegen, aber nicht in den Einzelfall eingreifen.

Ein gutes Gesetz zeichnet sich dadurch aus dass das gewünschte Ziel erreicht wird. Insofern hat der Gesetzgeber mit seiner Formulierung „nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse“ ziemlich genau formuliert was er möchte. Am Ende werden die Gerichte die Details und Grenzen dieser Formulierung klären müssen.

Versteht mich nicht falsch, verdient hätten es viele Erlaubnisinhaber. Insbesondere die Vorkämpfer, die Erststreiter der ersten Genehmigungen und Pioniere einzelner Diagnosen hätten weitaus mehr verdient. Wenn die Politik hier nochmal aktiv werden soll, dann sollten wir auch über Rehabilitierung von verurteilen Patienten reden. Über politische Dienstanweisungen. Über das Verhindern von Forschung im Bereich Cannabis als Medizin. Und darüber wie man in Zukunft eine Wiederholung solcher Vorgänge verhindern kann.

Sehen wir das Ganze mal so herum: Wenn die Politik die bestehenden 1000 Erlaubnisinhaber von der Prüfung ausgenommen hätte, wenn sie eine Cannabisflatrate bis an ihr Lebensende erhalten hätten, wenn die Veteranen rundherum abgefertigt und versorgt wären, wer sollte denn dann der Pionier für die nächsten 10.000 Cannabis-Patienten sein? Die Krankenkassen und Ärzte haben es nun mit 1000 kampferprobten Patienten zu tun, die nun als Multiplikatoren wirken.