Indischer Hanf (Cannabis sativa) in der Begründnug von „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Opiumgesetzes“ (Gesetzentwurf der Bundesregierung) — Drucksache VI / 1877

Aus dem Jahr 1971, im Rahmen der Diskussion wurde aus dem Opiumgesetz das „Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln“.

Ein besonderes Kennzeichen der Rauschgiftwelle ist die erhebliche Zunahme des Verbrauchs von Indischem Hanf (Cannabis sativa) und des darin enthaltenen Harzes (Haschisch). Es handelt sich dabei um ein Halluzinogen, das nach in der medizinischen Wissenschaft überwiegender Meinung bei Dauergebrauch zu Bewußtseinsveränderungen und zu psychischer Abhängigkeit führen kann. Der psychoaktive Wirkungsmechanismus beruht offenbar auf dem darin enthaltenen isomeren Tetrahydrocannabinol (THC), das erst seit wenigen Jahren voll synthetisiert hergestellt werden kann. Bei der Droge treten offenbar keine Entziehungssyndrome auf, und es besteht nur eine geringe Tendenz, die Dosis zu erhöhen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, daß die Droge eine Schrittmacherfunktion ausübt. Der Umsteigeeffekt auf härtere Drogen zeigt sich besonders bei jungen Menschen. Praktisch vollziehen sie mit ihr den Einstieg in die Welt der Rauschgifte. Die exakten biochemischen Vorgänge, die sich im menschlichen Körper beim Genuß dieser Droge vollziehen, sind noch weithin unbekannt. Die Forschung befaßt sich jedoch intensiv damit, und es steht zu erwarten, daß man in etwa fünf Jahren zu konkreteren Ergebnissen gelangen wird. Vor allem besteht noch Unkenntnis über die Nebenwirkungen, die aus einem Dauergebrauch dieser Droge resultieren. Auf Grund von Versuchen amerikanischer Pharmakologen mit trächtigen Ratten besteht sogar der Verdacht, daß die Droge genetische Defekte verursachen kann. Die Bedeutung dieser Droge für die Medizin ist gering.

Auf Grund des für die Bundesrepublik Deutschland nach dem Gesetz vom 26. März 1959 (Bundesgesetzblatt II S. 333) verbindlichen Genfer Abkommens vom 19. Februar 1925 wurde Cannabis und sein Harz (Haschisch) dem Kontrollsystem des Opiumgesetzes unterworfen. Haschisch wurde wegen seiner Bedeutungslosigkeit für die Medizin dem absoluten Verbot des § 9 OpiumG unterstellt. Der Entwurf hält an dieser Rechtslage fest, Bei dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wäre es vor allem aus gesundheitspolitischen Gründen nicht zu vertreten, diese Droge aus dem Kontrollsystem des Opiumgesetzes zu entlassen und sie als Massengenußmittel für den freien Verkehr zuzulassen, wie dies verschiedentlich gefordert wird. Die als Folge einer solchen Freigabe mit Sicherheit einsetzende Werbung würde den Massenkonsum der Droge bis zu einem solchen Ausmaß anheizen, daß auch die letzten ihrer psychischen Veranlagung wegen besonders drogengefährdeten Menschen erreicht würden. Der Schaden, der mit der „Integration“ dieser Droge für die Allgemeinheit verbunden wäre, läßt sich bei der augenblicklichen unsicheren Erkenntnislage zwar noch nicht hinreichend im voraus berechnen, ist aber überschlägig als sehr hoch zu veranschlagen.

Vor allem läßt sich das Ausmaß von schädlichen Nebenwirkungen, die beim Massenkonsum dieser Droge auftreten könnten, nicht überschauen, zumal die Droge gerade im Hinblick auf den Massenkonsum noch nicht ausreichend pharmakologisch und klinisch getestet ist. Hier müssen die Ergebnisse der eingeleiteten Forschungsvorhaben abgewartet werden. Es wäre nicht zu verantworten, die Droge jetzt freizugeben. Sie hat im übrigen jahrzehntelang unbeanstandet dem Kontrollsystem des Opiumgesetzes unterstanden. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. Auf den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 27. August 1969 — RReg. 4 a St. 81/69 (NJW Nr. 51/69 S. 2297) und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 1969 wird verwiesen.

Der Hinweis auf die gleichen schädlichen Auswirkungen des Alkoholgenusses ist kein Argument. Die auf Alkohol beruhende Trunksucht tritt meist erst in einem fortgeschritteneren Alter auf, und es bedarf ungleich größerer Mengen, diese Schwelle zu erreichen. Zum Indischen Hanf und seinem Harz haben aber schon Kinder gegriffen.

Die Freigabe von Indischem Hanf und seinem Harz würde zudem gegen das Genfer Abkommen vom 19. Februar 1925 verstoßen. Auch die von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete und zur Ratifizierung vorbereitete Single Convention hält an der Kontrolle über Cannabis und seinem Harz fest. Darüber hinaus haben die zuständigen Gremien der Vereinten Nationen, vor allem die Suchtstoffkommission des Wirtschafts- und Sozialrates sowie der Sachverständigenausschuß für Suchtstoffabhängigkeit der Weltgesundheitsorganisation den Mitgliedstaaten dringend geraten, die Kontrolle für Cannabis aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang wird auf den 16. Bericht des Sachverständigenausschusses für Suchtstoffabhängigkeit der Weltgesundheitsorganisation vom Oktober 1968 (World Health Organization Technical Report Series, No. 407, Geneva 1969) und auf den Bericht über die 23. Sitzung der Suchtstoffkommission des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen vom 13. Januar bis 31. Januar 1969 in Genf verwiesen.