Mit Xenosoziologie Drogenpolitik verstehen

Hört man sich die Vertreter von SPD, CDU und FDP bei Debatten im Deutschen Bundestag über Cannabis an und verwirft die unterkomplexe und haltlose These „Die sind doch alle von einer Lobby für ihre Reden bezahlt“ sollte man die These „Die kommen doch von einem anderen Stern“ etwas näher betrachten. Dazu muss man erst einmal kritisch hinterfragen wie allgemeingültigt die eigene Normalität ist und das Fernrohr auspacken um diese fremden Lebensformen zu studieren.

Die einfachste Frage beim Thema Normalität und Cannabist ist: Kenne ich Konsumenten? Jemand der eine Handvoll Menschen kennt, die Cannabis konsumieren hat ein gänzlich anderes Bild von dem „normalen Cannabiskonsumenten“ als jemand der niemanden persönlich kennt, der Cannabis konsumiert und der sein Bild vom „normalen Cannabiskonsumenten“ aus zweiter Hand, aus den Medien und aus Gesprächen mit Drogenberatern hat.

Werfen wir zunächst einen Blick in die Repräsentativerhebungen zum Cannabiskonsum für folgende 5 Personen(gruppen):

Bundesland Altersgruppe Lebenszeit 12 Monate 30 Tage
Berlin 18-24 49,5% 26,1% 10,9%
Bund 18-24 39,5% 17,1% 7,9%
Bund 40-49 19,8% 2,2% 0,9%
Bund 50-64 9,9% 0,4% 0,1%
Bayern 50-64 9,5% 0,5% 0,0%

Für einen jungen Menschen in Berlin ist es völlig normal, dass jemand mal gekifft hat, immerhin hat jeder zweite Freund es schon einml getan. Jeder Vierte in seinem Umfeld kifft immer noch gelegentlich und in seinem Betrieb oder Seminar mit 30 Personen gibt es 3-4 Menschen, die regelmässig Cannabis konsumieren.

Beim durchschnittlichen Deutsche sieht da etwas anders aus: Auch wenn er sicher jemand kennt der mal gekifft hat (Jeder Fünfte), so liegt der Konsum in der Regel schon eine Weile zurück. Von seinen Kumpels kifft keiner mehr, in seinem erweiterten Bekanntenkreis (2,2%) gibt es vielleicht einen, der das mal tut, aber quasi niemanden der es in den letzten 30 Tagen tat (0,9%).

Bei Frau Maag sieht es hier noch düsterer aus (0,4% bzw. 0,1%). Wenn die AG 60plus der SPD Bayern auf Einladung der Landesvorsitzenden Graf tagt und 200 Personen kommen, gibt es sicherlich ein Dutzend Personen, die in ihrer Vergangenheit irgendwann einmal gekifft haben. Ein einziger hat es in den letzten 12 Monaten getan, in den letzten 30 Tagen niemand.

Dies ist nur eine erste, sehr einfache Betrachtung. Man kennt nicht nur Menschen in seinem Alter und seinem Bundesland, eine Frau Graf wird möglicherweise einen kiffenden Jusos kennen – wobei so ein Einzelfall, der keine Probleme hat, im eigenen Weldbild leicht wegdiskutiert werden kann. Ebenfalls müsste man das Geschlecht berücksichtigen, dies würde die Kluft zwischen Frau Maag und Frau Graf und dem männlichen DHV Fan weiter verbreiten. Ob man jemand kennt der Cannabis konsumiert und ob man auch davon weiß muss ebenfalls betrachtet werden, ich vermutete dass die Offenheit davon abhängt wie verbreitet („normal“) der Konsum in der Gruppe ist – auch dies würde Frau Maag und Frau Graf weiter von Hanffreunden isolieren.

Quellen:

  • Kraus, L., Baumeister, S. & Stonner, T. (2008). Epidemiologischer Suchtsurvey 2006. Repräsentativerhebung zum Gebrauch und Missbrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Bayern (IFT-Berichte Bd. 162). München: IFT Institut für Therapieforschung.
  • Kraus, L., Rösner, S., Baumeister, S., Pabst, A. & Steiner, S. (2008). Epidemiologischer Suchtsurvey 2006. Repräsentativerhebung zum Gebrauch und Missbrauch psychoaktiver Substanzen bei Jugendlichen und Erwachsenen in Berlin (IFT-Berichte Bd. 167). München: IFT Institut für Therapieforschung.
  • Kraus, L., Pfeiffer-Gerschel, T. & Pabst, A. (2008). Cannabis und andere illegale Drogen: Prävalenz, Konsummuster und Trends. Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurveys 2006. Sucht, 54 (Sonderheft 1), S16-S25.