5 Fragen zum Thema Drogenpolitik – Antwort von Claudia Roth

Hier die Antworten von Claudia Roth auf meine fünf Fragen an alle grünen Urwahlkandidatinnen:

Frage 1: Wie bewertest du die strafrechtliche Verfolgung von Konsumenten illegalisierter Drogen in Deutschland?

Als regelmäßige Wiens-Gängerin, der weltweit größten offenen Drogenszene, erlebe ich eine Doppelbödigkeit, eine Einteilung in gut und schlecht, die ich so nicht mitmache. Die über 6,9 Millionen getrunkenen Maß Bier auf dem Oktoberfest 2012 gelten als „Grundnahrungsmittel“ und Hanf gilt als böse und verrucht.

Dazu kommt, dass die strafrechtliche Verfolgung von Konsumentinnen und Konsumenten illegalisierter Drogen auf ganzer Linie gescheitert ist. Sie führt weder zu weniger Drogenkonsum noch hilft sie jenen, die in Abhängigkeiten geraten sind. Schwerstabhängige benötigen keine Strafverfolgung und keine Polizei, sondern Therapie und Hilfe. Die Kriminalisierung hat noch weitere verehrende Folgen: Sei es der nicht zu kontrollierender Schwarzmarkt, der in der Lage ist, ganze Länder, bspw. Mexiko, ins wanken zu bringen, sei es das Strecken der Substanzen mit schädlichen und billigen Ersatzstoffen oder sei es eine erschwerte Aufklärung und Drogenkunde, da gerade von staatlicher Seite nur eine generelle Ablehnung und komplette Abstinenzaufklärung möglich ist.

Wir setzen uns deshalb für eine Regulierung des Drogenmarktes in Verbindung mit intensiver Prävention und Aufklärung ein. Dies bedeutet unter anderem eine legale Abgabe von Drogen wie Cannabis in lizensierten Drogenfachgeschäften, natürlich unter der Berücksichtigung des Jugendschutzes, eine medizinisch kontrollierte Abgabe von Heroin, bedarfsgerechte psychosoziale Betreuungsangebote und Maßnahmen zur Schadensminderung wie Spritzentauschprogramme oder Drug-Checking. Auch Ärzte dürfen nicht kriminalisiert werden, wenn sie Drogen wie Heroin oder substituierende Substanzen an Drogenabhängige abgeben.

Frage 2: Wie bewertest du du die Auswirkungen der heutigen Drogenpolitik in Deutschland und international (global), z.B. auf Länder wie Afghanistan und Mexiko?

Wer die Entwicklungen in Afghanistan, in Südamerika, in Ländern wie Mexiko oder Kolumbien verfolgt, der und dem wird klar, dass die weltweite Verbotspolitik nur zu Kriminalität, Gewalt und Terrorismus vor allem in ärmeren Staaten führt. Wie man nicht zuletzt an Mexiko sehen kann, ist der internationale Drogenhandel in der Lage, Staaten von innen heraus zu zersetzen und Rechtsstaatlichkeit über weite Strecken zu zerstören. Dies ist die Folge einer Politik, die auf eine gewaltsame, oftmals sogar  militärische Bekämpfung des Drogenanbaus und -transits setzt.  Diese Politik, maßgeblich auch befördert von den USA, die auf einen internationalen Krieg gegen Drogen setzt, muss beendet werden, denn sie ist gescheitert. In den Gremien der UN müssen wir für eine Drogenpolitik streiten, die auf Menschenrechten, Entwicklung und Gesundheit basiert. Dazu sind Modelle einer legalen Regulierung des Drogenmarktes nötig, wie sie in der ersten Antwort bereits beschrieben wurden. Denn nur so wird es möglich sein, den Schwarzmarkt und die damit einhergehende internationale Drogenkriminalität einzudämmen.

Frage 3: Wie wichtig ist dir ein grundsätzlicher Wechsel in der Drogenpolitik?

Ein wirklicher Wechsel in der Drogenpolitik ist nötiger denn je, denn es geht dabei um die Gesundheit und das Leben von Menschen und um die Stabilität von zumeist ärmeren Staaten. Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen leiden, Menschenrechte ausser Kraft gesetzt werden und Drogenkartelle die Macht in einigen Ländern übernehmen, nur weil wir an einer ideologischen, auf Repression und Prohibition basierenden Politik festhalten wollen.

Und als jemand, der schon sehr gutes und sehr schlechtes Bier getrunken hat, steht für mich auch die Qualitätsfrage im Mittelpunkt. Wir brauchen hohe Qualitätsansprüche und eine bessere Qualitätskontrolle sowie verbesserte Aufklärung jenseits der blanken Aufforderung zur Abstinenz. Wirklicher VerbraucherInnenschutz in der Drogenpolitik kann es nur geben, wenn wir den Konsumentinnen und Konsumenten auch die Möglichkeit geben, zu erfahren, welche Substanzen sich tatsächlich in den Rauschmitteln enthalten ist.

Frage 4: Wie sollten ggf. deiner Meinung nach Alternativen zur prohibitiv-repressiven Kontrollpolitik aussehen?

Die Alternative zu einer prohibitiv-repressiven Kontrollpolitik ist ein Dreiklang aus Prävention, Hilfe und Entkriminalisierung. Dies beinhaltet eine ehrliche Aufklärung, die Drogen wie Alkohol nicht verharmlost und Cannabis nicht verteufelt, sondern ehrlich und auf wissenschaftlicher Basis über Risiken und Gefahren jeder einzelnen Substanz aufklärt und damit am besten schon in der Schule beginnt. Es bedarf Maßnahmen der Schadensminimierung sowie Safer-Use-Angebote, z.B. Spritzentauschprogramme, Drug-Checking-Möglichkeiten oder Safer-Konsum-Anleitungen. Außerdem braucht es eine Verbesserung der Therapie- und Hilfsangebote, bei denen auch auf geschlechtsspezifische Unterschiede eingegangen wird. Dabei setzen wir auf ein breites Angebot, das von Substitutionstherapien über Abstinenzangebote bis hin zu bedarfsgerechten psychosozialen Betreuungsangeboten reicht. Zu guter Letzt setzen wir auf die Regulierung des Drogenmarktes durch Entkriminalisierung, wie beispielsweise eine legale Abgabe von Cannabis in lizensierten Drogenfachgeschäften.

Frage 5: Wenn du KanzlerIn werden solltest, welche drei drogenpolitischen Sofortmaßnahmen würdest auf den Weg bringen?

Die für mich drei wichtigsten Punkte sind:
die legale Abgabe von Cannabis in lizensierten Drogenfachgeschäften und eine medizinische Abgabe von Drogen wie Heroin an Abhängige
die Schaffung bundesweiter Möglichkeiten zum Drugchecking,
sowie die Beendigung der Verfolgung bzw. der Schikane von ÄrztInnen und TherapeutInnen, die Substitutionstherapien oder Therapein mit Original-Substanzen anbieten.