Das Abstinenzdogma in der deutschen Drogenpolitik

Die erste rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder trat mit dem Motto „Wir machen nicht alles anders, aber vieles besser“ an – dies traf auch auf die Drogenpolitik zu. Alkohol und Tabak wurden als Drogen angesehen, die dritte BtMG Änderung stelle die längst existierenden Drogenkonsumräume auf rechtlich sichere Beine und die Heroinabgabe wurde in einem Modellversuch getestet. Trotz der relativ fortschrittlichen Drogenpolitik von rot-grün in den Bereichen der Prävention, Therapie und Schadensminderung war es nicht alleine die Repression, die unverändert bestehen blieb. Auch das Dogma der Abstinenz in Hinblick auf illegalisierte Substanzen blieb erhalten. Es wurde in bester rot-grüner Manier etwas sozialpädagogisch und nett verpackt, aber bei diesem Grundsatz unterscheidet sich der Aktionsplan Drogen und Sucht aus dem Jahr 2005 nicht vom nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan von Helmut Kohl aus dem Jahr 1990.
Der nationale Rauschgiftbekämpfungsplan gab folgende Leitlinien vor:
Totale Abstinenz im Hinblick auf illegale Drogen,
− Selbstkontrollierter Umgang mit ”legalen” Suchtmitteln (z.B. Alkohol, Tabakerzeugnisse) mit dem Ziel weitgehender Abstinenz,
− Bestimmungsgemäßer Gebrauch von Medikamenten.

Diese Festlegung des Bundesregierung bestimmte die Ausrichtung der Präventionsarbeit beispielsweise der Bundeswehr, zu finden in den Richtlinien zur Koordinierung und Steuerung von Maßnahmen der Suchtprävention und –bekämpfung für Soldaten aus dem Jahr 1999.

Der rot-grüne Aktionsplan scheint auf den ersten Blick liberaler, harte Formulierungen wie „Totale Abstinenz“ sind nicht zu finden. Statt dessen steht in der Einleitung: „Es ist ein wichtiges gesundheitspolitische Ziel, riskanten Konsum, schädlichen Gebrauch und Abhängigkeit von Suchtmitteln mit allem Nachdruck zu verhüten oder deutlich zu reduzieren. Suchtprävention hat deshalb einen herausragenden Stellenwert.“

Allerdings wird im Abschnitt „Substanzbezogene Ziele“ schnell klar dass noch immer klar zwischen legalen und illegalen Drogen unterschiedlichen wird und das alte Abstinenzgebot erhalten blieb, bei den Unterzielen heißt es:

Die Reduzierung des Alkoholkonsums zur Senkung der alkoholbedingten Krankheits- und Todesfälle pro Kopf sowie die Verringerung des Bevölkerungsanteils mit einem riskanten Alkoholgebrauch (z.B. Rauschtrinken)

Die Reduzierung des Tabakkonsums zur Verringerung der tabakbedingten Krankheiten und Todesfälle

Generelle Zielsetzung ist es – auch wenn es unterschiedliche gesundheitliche Gefährdungs- und Abhängigkeitspotenziale der verschiedenen Substanzen gibt – den Konsum der illegalen psychoaktiven Substanzen aufgrund der damit verbundenen Gesundheitsgefahren zu vermeiden oder zumindest zu verringern.

Drum ist es nicht weiter verwunderlich dass im Vortrag von Kriminaloberrat Dierk Marckwardt zur Polizeilichen Drogenprävention in Baden-Württemberg am 9. Juli 2011 noch immer steht:

Für die polizeiliche Drogenprävention bedeutet dies:
Völlige Abstinenz im Hinblick auf illegale Drogen
• Selbstkontrollierter Umgang mit legalen Drogen, weitgehend abstinent
• Sensibilisierung zu Konsum und Missbrauch von Medikamenten