Einige Menschen waren verwundert als sie folgende Forderung im Landtagswahlprogramm der Grünen Baden-Württemberg lasen: Für uns GRÜNE ist klar: Menschen, die ein problematisches Konsummuster aufweisen oder abhängig sind, haben das gleiche Recht, sich freiwillig einer medizinischen und psychologischen Behandlung zu unterziehen wie jeder Mensch mit einer anderen Krankheit auch.
Es gibt doch Methadon, Heroin und Fixerstuben für die Junkies, was wollen die Grünen den eigentlich noch?!? Eigentlich nur eben diese Dinge, aber verfügbar für jeden der diese Hilfen braucht und möchte. Dies ist mitnichten überall gegeben!
Was hilft? Drogenkonsumräume!
Dank einer umfangreichen Drogenhilfe und fünf Drogenkonsumräumen ist in Hamburg die Zahl der Drogentoten auf dem niedrigsten Stand seit 1987 angekommen – hier hat selbst die CDU den Nutzen einer akzeptierenden Drogenarbeit erkannt. Neben Hamburg gibt es nur in Berlin, Niedersachsen, Saarland, Hessen und Nordrhein-Westfalen Konsumräume. Gerade in den CDU geführten Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg blockieren die Landesregierungen deren Einrichtungen, obwohl in den Großstädten wie Mannheim, Stuttgart, München und Nürnberg sowohl der Bedarf als auch der über alle Parteigrenzen hinweg geäußerte Wunsch der Politiker und Fachleute zur Einrichtung von Fixerstuben vor Ort existiert. Selbst der paritätische Wohlfahrtsverband schreibt in einer Stellungnahme: Drogenkonsumräume in Bayern sind überfällig!
Hier noch zwei Zeitungsartikel zur Debatte in Nürnberg: Bekommt Nürnberg eine Fixerstube? Die mudra-Drogenhilfe bemüht sich um einen sogenannten Drogenkonsumraum – der Freistaat bremst bislang die Pläne. Mittelbayrische Zeitung, 03.12.2010 und Kommentar: Ideologie statt Fakten – Markus Söder und die CSU verweigern sich, Nürnberger Zeitung, 27.07.2010
Dirk Schäffer von der Deutschen AIDS Hilfe sagte zum Thema Konsumräume und wirksame Hilfen in einem sehr lesenswertem Interview:
Eine flächendeckende Versorgung mit sogenannten Druckräumen, in denen Heroin und andere Drogen unter hygienischen Umständen konsumiert werden können, ist nicht gewährleistet. Vielerorts kommt es sogar zu Protesten von Anwohnern… Grundsätzlich wäre es möglich, daß jedes Bundesland solche Räumlichkeiten einrichtet. Bayern, Rheinland-Pfalz und andere weigern sich. Studien zeigen, daß solche Drogenkonsumräume Leben retten, indem Überdosierungen schnell und adäquat behandelt werden können. Darüber hinaus tragen solche Angebote dazu bei, Infektionen wie HIV und Hepatitis zu vermeiden. Der öffentliche Raum wird entlastet, und Drogenkonsumenten werden weiterführende Hilfsangebote gemacht. Anwohnerproteste dagegen gehören heute einfach dazu. Alle wollen diesen armen Menschen natürlich helfen, aber bitte nicht in der eigenen Nachbarschaft!
Nürnberg wird in diesem Jahr einen traurigen Rekord aufstellen. Dort gibt es, bezogen auf die Bevölkerungszahl, deutschlandweit die meisten Todesopfer in Folge des Konsums illegaler Drogen…
Trotz einer parteiübergreifenden Initiative für die Einrichtung von Drogenkonsumräumen dort und in München, die von Ärzten, Wissenschaftlern und Praktikern der Drogenarbeit unterstützt wird, setzt der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) immer noch auf eine Blockadehaltung.
Methadon als Regelversorgung? Nicht überall!
Alleine in den letzten drei Monaten sind mir drei Artikel aufgefallen in denen der Wegfall einer bestehenden Methadonversorgung in einer ganzen Region beklagt wurde:
„Kein Methadon mehr in der Wesermarsch“ (Nähe Bremerhaven), „Drogenberatung zieht weg“ (Weil am Rhein bei Basel) und „Noch kein Nachfolger in Sicht“ (Ehingen / Munderkingen / Riedlingen bei Ulm).
Im letzten Artikel werden auch einige Gründe genannt warum kein andere Arzt die Patienten aufnehmen möchte: „Diesem Erfolg vorausgegangen ist eine vorgeschriebene Zusatzschulung, die seinerzeit schon aufwändig war. Nun aber sei sie noch zeitintensiver. Die bürokratischen Hürden vor und während der Tätigkeit seien recht hoch. „Dazu gehören auch Haftungsrisiken“, sagt Litz. Wer ungewollt eine der vielen Vorschriften übersieht, laufe Gefahr, sich in einem Strafrechtsprozess verantworten zu müssen.“ Genau diese Gefahr wurde den Ärzten in Wesermarsch zum Verhängnis: „Vor gut einem Jahr gab es noch zwei niedergelassene Ärzte in der Wesermarsch, die Ersatzstoffe für Heroin – und nur um dieses Rauschgift geht es – nach strengstens festgelegten Kriterien ausgeben durften. Dem einen Arzt wurde diese Erlaubnis entzogen. Beim zweiten Arzt – er praktiziert in Brake – steht die Erlaubnis auf der Kippe, weil die Staatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit gegen ihn ermittelt.“ In Weil fiel „nur“ die ärztliche Betreuung vor Ort weg, „Den Wirkstoff können die Patienten in einer Weiler Apotheke, die sich darauf speziell eingerichtet hat, unter Aufsicht erhalten und einnehmen.“ – ein mir bisher unbekanntes Modell.
Patienten dritter Klasse
Menschen, die von ihrem Arzt Methadon verschrieben bekommen, müssen von anderen illegalen Drogen Abstinenz bleiben, sonst muss der Arzt die Behandlung abbrechen. Bei einem Verstoß droht dem Arzt ein Entzug seiner Zulassung und sogar Geld- und Haftstrafen. Mensch stelle sich einmal vor welcher Aufschrei durch die Öffentlichkeit ginge würde einem Diabetiker sein Insulin verweigert weil er sich nicht an seine Diätvorschriften gehalten hätte! Auch im „Regelbetrieb“ kommt es mitunter zu brutalen Szenen, so vertauschte im November 2010 eine Klinik Urinproben und wirft den Entgiftungpatienten einfach raus. Während jeder positiv auf Doping getestete Sportler die Überprüfung des Ergebnis mittels der „B-Probe“ verlangen kann, meldete die Klinik, die laut Zeitungsartikel „für ihre modellhafte Arbeit vielfach ausgezeichnet wurde“, den Betroffen lieber unverzüglich bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verstoßes gegen sein „Therapie statt Strafe“ Urteil. Heraus kam die Verwechselung als auf eigene Rechnung eine zweite Probe bei einem Fachlabor analysiert wurde.
Die KonsumentInnen von Heroin stellen die meistgefährdende Gruppe bezüglich AIDS und anderen Infektionskrankheiten, trotzdem gibt es noch reichlich blinde Flecken bei der AIDS-Prävention wie zum Beispiel beim Spritzentausch in Gefängnissen.
Allgemein stoßen Konsumenten illegalisierter Drogen auf viele Ressentiments, auch bei den Ärzten die ihnen helfen sollten. So werden regelmäßig Menschen mit psychischen Probleme pauschal vor die Bedingung gestellt zunächst ihren Substanzkonsum zu beenden bevor sie psychologische Hilfe erhalten – völlig unabhängig davon ob dieser Teil des Problems ist oder sie dazu in ihrer jeweiligen Situation überhaupt in der Lage sind.
Ebenso problematisch ist die Angst überhaupt wegen Drogenproblemem einen Arzt aufzusuchen, obwohl dies bei den Schäden durch Streckmittel notwendig sein kann. Die Hunderten Bleivergiftungen in Leipzig und München erforderten sogar unbedingt dringend eine medizinische Untersuchung und Versorgung. Zudem wissen viele Ärzte bei Streckmittelschäden kaum Bescheid und solange von den Drogenbeauftragten nur zur Abstinenz geraten wird, wird wohl auch kein Druck entstehen sich damit medizinisch-wissenschaftlich auseinander zu setzen.