Angesichts des Weedstorms den CDU/SPD abbekommen, möchte ich versuchen die Debatte zu unterstützen indem ich mir einige Gedanken machen wie man CDU/SPD Wähler / Mitglieder von einer anderen Drogenpolitik, z.B. der Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten, der Legalisierung von Cannabis & Zugang zu medizinischem Cannabis für alle betroffenen Patientinnen und Patienten ermöglichen überzeugen kann.
Basiert auf eine Diskussion auf Facebook vom 30.12.2012, die ich hier leicht überarbeitet archivieren möchte.
Zunächst einmal ein schöner Kommentar zum Thema „effektiv argumentieren“ von Hans Asch: „Man muss sie dort treffen wo es am meisten schmerzt: Kinder, Gesundheit, Geldbeutel.“
Für den Anfang mal „Sechs Thesen für einen Minimalkonsens in der Diskussion über Drogen“:
- Alle Drogen sind potenziell gefährlich und jeder Drogenkonsum ist ein gewisses Risiko
- Drogenpolitik sollte nachweislich effektiv sein
- Drogenpolitik sollte ihr Geld wert sein
- Politik sollte realitätstauglich und flexibel sein
- Drogenpolitik sollte versuchen, Schäden zu mindern
- Drogenpolitik ist in erster Linie Gesundheitspolitik
Ich hatte hierzu auch schon etwas Diskussion mit Steffen Geyer, die kann man hier nachlesen.
Mein Fazit, das insbesondere für diese Diskussion gilt: Der von mir formulierte Minimalkonsens soll ja Plattform sein um mit JEDEM Bürger und Politiker ins Gespräch kommen zu können.
Den nächsten Punkt möchte ich mit einem Zitat einleiten: „Ich bin der festen Überzeugung, daß die Drogenpolitik in diesem Lande anders laufen würde, wenn es gelänge, die zutreffenden Informationen publik zu machen. Die gegenwärtige Drogengesetzgebung läßt sich nur deshalb praktizieren, weil in der Bevölkerung ein entsprechendes Informationsdefizit herrscht.“ – Wolfgang Nešković, 1992, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof und MdB für die LINKE
„Was weiß der durchschnittliche Deutsche über Drogen und Drogenpolitik?“ ist hier meine Ausgangsfrage. Der durchschnittliche Deutsche ist repräsentativ für CDU/SPD Wähler, die zusammen immerhin noch auf 2/3 aller Stimmen kommen.
Schritt 1: Wer ist der durchschnittliche Deutsche?
Er ist etwa 42 Jahre alt. Die Verteilung ist hier zu finden (ausreichend aktuell). Warum ist das interessant?
Die Bevölkerung in Deutschland:
- 15% sind über 70 Jahre alt.
- 25% sind zwischen 50 – 70 Jahre alt.
- 41% sind zwischen 20 – 50 Jahre alt, ca. 12% zwischen 20 und 30, 12% zwischen 30 und 40 sowie 17% zwischen 40 und 50.
- 18% sind jünger als 20 Jahre.
Im Vergleich dazu die Hanffreunde, z.B. die Fans des DHV, ich nehme mal nur die Zahlen für die Männer, bei den Frauen sind wir eh völlig unterrepräsentiert. Und ja natürlich weiß ich dass Menschen bei ihren FB Angaben lügen und die DHV Facebook Fans nur bedingt repräsentativ sind, wenn jemand bessere Daten hat, immer her damit.
- Über 70 Jahre sind höchstens 1,7%, eher weniger, sagen wir 1%.
- Zwischen 50 und 70 Jahren sind ca. 2%.
- Zwischen 20 und 50 Jahren sind ca. 55%.
- Zwischen 20 und 30 41%, zwischen 30 und 40 11% und zwischen 40 und 50 3%.
- Unter 20 Jahre sind ca. 42%.
- Das Durchschnittsalter beträgt 20 Jahre.
Über 30 Jahre sind damit nur 17%, in der Gesamtbevölkerung sind es fast 70%.
Über 40 Jahre sind damit nur 28%, in der Gesamtbevölkerung sind es fast 60%.
Diese Zahlen sind natürlich recht grob, aber ich denke sie machen eines klar: Die Mehrheit, die wir brauchen um etwas zu verändern ist nicht in unserem Alter, sondern deutlich älter.
Zu den vielen Jahren und der Frage der Normalität, hier hilft uns das durchschnittliche Alter von 42 Jahren, im Bundestag sind es übrigens 49 Jahre.
Der durchschnittliche Deutsche hatte seine Sozialisation (ich nehme mal die Schulzeit also sechs bis 19 Jahre) zwischen den Jahren 1976 und 1989 bzw. als MdB zwischen 1969 und 1982. 1982, da wurde ich z.B. überhaupt erst geboren.
Hier mal ein kleiner Ausflug in diese Jahre:
1977:
http://de.wikipedia.org/wiki/Rote_Armee_Fraktion
„Ab 1970 kam es zu einer Kooperation mit der palästinensischen Fatah in Jordanien. Im sogenannten Deutschen Herbst des September und Oktober 1977 erreichte der Linksterrorismus in Deutschland mit dem Scheitern einer versuchten Freipressung von Häftlingen der ersten Generation seinen Höhepunkt.“
1978:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40693814.html
„Hauptstadt der Fixer
In keiner europäischen Großstadt ist die Rauschgift-Todesrate, gemessen an der Zahl der Suchtigen, so hoch wie in West-Berlin. Selbst in der USDrogenhochburg New York ist sie niedriger.“
1979:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-39867226.html
„Die Bundesrepublik steht nach Einschätzung von Rauschgiftfahndern vor einer neuen Drogenwelle: Kokain. Eine Analyse der Frankfurter Kripo gibt Einblick in die „Koks“-Szene.“
1980:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wir_Kinder_vom_Bahnhof_Zoo
„Das Buch war das erste dieser Art und eröffnete einem breiten Publikum Einblicke in die Drogenproblematik. Es war 1980 und 1981 das meistverkaufte Buch in der Bundesrepublik Deutschland; in vielen deutschen Schulen wurde Wir Kinder vom Bahnhof Zoo Pflichtlektüre.“
1980:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14315185.html
„Der biedere deutsche Südwesten wird von einer Drogenwelle heimgesucht. Mit einer Art Rauschgift-Show versuchen Polizeiexperten, die Suchtgefahr abzuwehren.“
1980:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14316979.html
„SPIEGEL: Alle Jahre wieder macht die Bundesregierung große Worte über das Drogenproblem. Anti-Drogenprogramme gibt es schon seit zehn Jahren. Bewirkt haben sie nichts: Die Zahl der Rauschgiftsüchtigen steigt rapide, immer mehr Menschen sterben den Drogentod – letztes Jahr waren es 593. Frau Huber, Herr Baum, können wir uns gleich darauf einigen, daß jetzt niemand von Ihnen ansetzt, die großartigen Verdienste der Bundesregierung bei der Rauschgiftbekämpfung auszumalen?“
1987:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13524903.html
„Westdeutschlands Großstädte sind uneins, wie sie mit aidskranken Prostituierten verfahren sollen, die – allen Mahnungen zum Trotz – weiterhin anschaffen und die Gesundheit ihrer Freier gefährden. Frankfurt will infizierte Dirnen und Stricher jetzt in Kliniken zwangseinweisen, die meisten anderen Kommunen lehnen eine Kasernierung von Prostituierten ab. Begründung: Kranke könnten in den Untergrund getrieben werden.“
1987:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13525070.html
„Treue oder Kondom oder Abstinenz – Die Bonner Enquete-Kommission berät über Mittel gegen Aids-Gefahren Die Enquete-Kommission „Gefahren von Aids und wirksame Wege zu ihrer Eindämmung, in der acht Sachverständige und neun Mitglieder des Bundestags-Gesundheitsausschusses mitarbeiten, will im Dezember erste konkrete Ratschläge an den Gesetzgeber vorlegen, wie der weiteren Ausbreitung von Aids entgegengewirkt werden kann. Teilnehmer beklagen einen Mangel an „fruchtbarer Diskussion“; die Befürworter von Zwangsmaßnahmen seien „eindeutig“ in der Mehrheit“
1988:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13530283.html
„Wie die Drogenmafia die Welt überrollt (I): Das 500-Milliarden-Dollar-Geschäft Die illegale Rauschgiftindustrie ist zu einem der weltweit größten Geschäfte geworden, hat angeblich den phantastischen Umsatz von 500 Milliarden Dollar erreicht. Diesem Imperium ist mit Polizeimitteln nirgendwo mehr beizukommen. Auch die Beschaffungskriminalität, die zunehmend in Raubmord ausartet, gerät außer Kontrolle.“
1989:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13494877.html
„JÄGER: Aids, richtiger HIV-Erkrankung, ist eine schwere Gesundheitsstörung, aber sie ist behandelbar. Das ist neu.“
1990:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13500292.html
„Der Stoff versaut das Land
Die kriminelle Erfolgsbranche der Dealer (I): Massenhafter Zulauf und unbegrenzte Gewinne
Mit Heroin und Kokain machen heruntergekommene Unternehmer und hochgekommene Zuhälter Millionen. Bis ins kleinste Dorf reichen die Geschäfte der Dealer. Immer mehr Jugendliche machen mit, weil sie ihre Sucht finanzieren müssen. Nun öffnet sich dem Rauschgift-Gewerbe ein gewaltiger neuer Markt: die DDR.“
2004 kam dann noch: Die Seuche Cannabis – Drogen an Deutschlands Schulen, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-31329755.html
Einwurf von Florian Eben: Meine Meinung: Es gibt genug gute Argumente die eine Entkriminalisierung/Legalisierung befürworten, jedoch zu wenig Interesse/Aufklärung in der Bevölkerung, zu wenige Konsumenten die die für ihr Recht kämpfen und zu viele Vorurteile gegenüber Drogen.
Meine Antwort: die frage ist nur welche argumente sind die besten bzw. die effizientesten, ich denke wir nutzen zu oft argumente die uns überzeugten und die wir gut finden, aber ich denke wir sind nicht repräsentativ. dazu empfehle ich auch dieses Video.
Einwurf von Florian: […] Sprich die Frage wie man andere überzeugen kann zurückstellen und die Bevölkerung fragen, weshalb sie für eine Kriminalisierung/Illegalisierung sind und aus den Antworten Pro-Argumente formulieren […] Oft gibt es auch schon gute Argumente die das wiederlegen aber weshalb möchte mein Gegenüber das dann nicht akzeptieren ? Nun vieleicht weil deren Meinung so tief verankert ist, das sie darauf pochen und gar nicht überzeugt werden wollen. Wie könnte man das ändern ? […]
Meine Antwort: Stichwort: “ die Bevölkerung fragen, dazu habe ich was für euch. Das wurde 1x gemacht und zwar in dieser Studie – das Posting ist nur bedingt aussagekräftig, weil damals hatte ich noch nicht die gesamte Studie.
Hier die Ergebnisse in einer kleinen Präsentation – die Studie selbst habe ich aus urheberrechtlichen Gründen nicht ins Netz gestellt. Interessant ist insbesondere die letzte Seite: „Sie haben angegeben, dass Sie die Legalisierung von Cannabis ablehnen. Was sind die Gründe für Ihre Ablehnung?“
- 73% Cannabis ist eine Einstiegsdroge (d.h. nach dem Cannabiskonsum folgen oft auch härtere Drogen).
- 61% Cannabis macht psychisch abhängig. dies sagen eher Jüngere & Frauen
- 54% Man kann von Cannabiskonsum psychischen Schaden davon tragen.
- 48% Cannabis macht körperlich abhängig.
- 43% Man kann von Cannabiskonsum körperlichen Schaden davon tragen. dies sagen eher Jüngere
d.h. wir müssen uns mit dummen Argumente wie „Ist Cannabis eine Einstiegsdroge?“ auch weiterhin rumschlagen müssen, aber wie müssen die Debatte nicht noch selbst am Leben halten!
Leute, tötet das Mem „Einstiegsdroge“ und reproduziert es nicht selbst weiter! „Nur wenn man in der drogenpolitische Debatte das Fass soweit aufmacht, kann man wegkommen von einer Verteuflung von Substanzen als vermeintliche Ursache allen Übels und hin zu einer rationalen Debatte, die versucht Ursachen anzugehen.“
Nun zum Punkt: „Oft gibt es auch schon gute Argumente die das wiederlegen aber weshalb möchte mein Gegenüber das dann nicht akzeptieren ? Nun vieleicht weil deren Meinung so tief verankert ist, das sie darauf pochen und gar nicht überzeugt werden wollen. Wie könnte man das ändern ?“
Zum einen ist es natürlich auch immer eine Frage wer es sagt, hier könnten z.B. der Schildower Kreis mit seinen Videos helfe – weil die Menschen glauben eher was ein Professor sagt.
Zum anderen, natürlich wollen Menschen erstmal bei ihrer alten Meinung bleiben. Niemand gibt ohne Not einen Standpunkt auf den er seit vielen Jahren hat, den die Gesellschaft als (mehr oder weniger) normal ansieht und der – wenn man in aufgeben würde – eine Menge neuer Fragen aufwerfen würde.
Einwurf von KP: […] Wenn du die Entwicklung der Konsumentenzahlen von legalen mit illegalen vergleichst, wird deutlich, dass wesentlich mehr Leute legale Drogen konsumieren. Von dem her durchaus ein berechtigestes Argument, bei einer Marktfreigabe von einem Konsumanstieg zu sprechen; nicht umgehend, aber auf längere Sicht gesehen.
Meine Antwort: Stichwort, Konsumanstieg – ich glaube für die Debatte ist es erstmal egal ob der Konsum „auf längere Sicht“ steigt oder nicht, wir schaffen es ja nicht einmal unsere Gegenüber dazu zu bringen sich überhaupt einmal vorzustellen dass es auch ohne Verbote gehen könnte. Da das Ziel der offiziellen Drogenpolitik völlige Abstinenz bzgl. illegalen Drogen vorsieht, wäre schon ein gleichbleibender Konsum inakzeptabel für sie.
Das ist auch ein spanender Punkt, in der EarsandEyes Umfrage gab es auf die Frage „Es wird niemals eine Gesellschaft ohne Drogen geben.“ enorm viel Zustimmung:
- 60% stimme voll und ganz zu
- 24% relative Zustimmung
- 9% unentschlossen
- 2% relative Ablehnung
- 3% stimme überhaupt nicht zu
Gleichzeitig steckt das Abstinenzdogma fest in den Köpfen der Menschen…
Einwurf von KP: Die Tabaksteuer gleicht nicht mal die Hälfte der gesundheitlichen Folgeschäden, die durch Rauchen von Tabak entstehen, aus. Zudem entwickelt der Staat unternehmerische Interessen, dabei sollte er sich primär auf die Volksgesundheit konzentrieren.
Meine Antwort: Ja, jede Besteuerung von Drogen bringt den Staat in eine moralisch heikle Situation – drum wäre ich dafür Drogensteuern an den Zweck der Finanzierung von Prävention/Hilfe/Therapie zu binden, dann habt man ein sich selbst regulierendes System.
Der Vergleich mit der Tabaksteuer hinkt ein wenig, weil im Falle einer Besteuerung von Cannabis geht es um bestehende Umsätze und ein Umlenken von Schwarzmarktprofiten in Steuereinnahmen.
Geld Geld Geld… ja, das Argument ist mir zuwider, aber vermutlich ist es für einige Menschen eines das zieht. Wobei man es unterschiedlich formulieren kann: Der Staat verzichtet auf Einnahmen, der Staat verschwendet Geld bei der Repression oder der Staat könnte mit dem Geld dass er im Bereich Drogen ausgibt mehr erreichen wenn er es anders einsetzen würde, ich finde die letzte Version am Besten.