Stellungnahme zum Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe

"Ein Problem, das aufgrund von Verbotsdenkweise entstanden ist, kann man nicht mit noch mehr Verboten lösen."
„Ein Problem, das aufgrund von Verbotsdenkweise entstanden ist, kann man nicht mit noch mehr Verboten lösen.“

Folgende Stellungnahme gab ich als Vertreter von akzept e.V. – Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik bei der Anhörung zu diesen beiden Gesetzen ab. Die Originaldrucksache als PDF gibt es auf der Seite des Bundestages.

zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe – BT-Drucksache 18/8579 sowie
zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. Für eine zeitgemäße Antwort auf neue psychoaktive Substanzen – BT-Drucksache 18/459

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

zu den Anträgen der Anhörung „Neue Psychoaktive Substanzen“ im Gesundheitssaussuss des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2016 nimmt der akzept e.V. hiermit gerne Stellung.

Über akzept e.V.

Seit über 25 Jahren tritt akzept e.V. für eine Normalisierung im Umgang mit illegalisierten Drogen ein. Als Dachverband zählen wir neben Wissenschaftlern, Praktikern, Einrichtungen der Drogen- und Aidshilfe, auch Organisationen der von Drogenpolitik Betroffenen und Konsumentinnen wie Selbsthilfegruppen und Elternorganisationen zu unseren Mitgliedern. Zusammen mit der Deutschen AIDS-Hilfe, dem JES Bundesverband e.V. sowie zahlreichen weiteren Organisationen und Einzelpersonen geben wir seit 3 Jahren den alternativen Sucht- und Drogenbericht als kritische Ergänzung zum offiziellen Bericht der Bundesregierung heraus. Auch das Thema „Wie mit NpS zukünftig umgehen?“ wurde in diesem Jahr darin behandelt.

Die neuen psychoaktiven Stoffe und das Scheitern der Drogenverbotspolitik

Das Phänomen der Designerdrogen und die damit verbundenen Probleme diese zu verbieten sowie der Lösungsansatz Substanzgruppenverbot sind nicht neu. Ebenfalls nicht neu ist der permissive-repressive Kontrollansatz der Bundesregierung in der Drogenpolitik wie er auch im Gesetzentwurf zum Ausdruck kommt

Akzept e.V. sieht diese Drogenpolitik der Prohibition als gescheitert, teuer und schädlich an.

Weltweit mehren sich die Stimmen den „Krieg gegen die Drogen“ zu beenden, der seit Jahrzehnten für ganze Regionen verheerende Folgen hat. In Deutschland haben wir mit der akzeptierenden Drogenarbeit, mit Methadon und Heroin, Spitzentausch und Konsumräumen viel erreicht, aber die repressive Klammer zwängt Prävention, Therapie und Hilfe weiterhin in einen engen Rahmen. Die Strafverfolgung richtet sich in der Praxis primär gegen die Konsumenten der Drogen, Angebot und Nachfrage vermag sie nicht einzuschränken. Dennoch erhalten die Strafverfolgungsbehörden weiterhin die meisten Ressourcen, während evidenzbasierte Instrumente politisch blockiert und nicht ausreichend finanziert werden.

Der Versuch die Probleme die es mit oder wegen den NPS gibt mit einem Gesetz anzugehen, das Strafbarkeitslücken schließen soll, ist daher ein „Weiter so!“ mit einem Instrument, dass schon seit Jahrzehnten erfolglos ist, erhebliche Kollateralschäden mit sich bringt und sich in der Behandlung Betroffener kontraproduktiv auswirkt.

Die Prohibition ist eine Idee, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. Sie ist ein reales Hindernis für Prävention und Therapie, es gibt hier keineswegs eine friedliche Koexistenz. Ein großer Teil der Arbeit der Drogenhilfe wird geleistet, um die schädlichen Folgen des Drogenverbotes für die Konsumenten wieder zu beheben.

Der vermeintlich große Nutzen eines repressiven Ansatzes auf den hier alleine gesetzt wird, wurde schon von Prof. Dr. Dieter Rössner und Prof. Dr. Wolfgang Voit, welche 2011 ein im Auftrag des Bundesdrogenbeauftragten erstelltes Gutachten zum Inhalt dieses Gesetzes vorstellten, auf der Jahrestagung der Drogenbeauftragten in Frage gestellt.

Durch das Verbot insbesondere von Cannabis, inklusive der Risiken durch Streckmittel auf dem Schwarzmarkt sowie die Ausweitung der Bestrafung gegen Konsumenten über das Führerscheinrecht, entsteht erst der wesentliche Teil der Nachfrage nach Ersatzprodukten.

Ein Problem, das aufgrund dieser Verbotsdenkweise entstanden ist, kann man nicht mit noch mehr Verboten lösen.

Zum Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe

Akzept e.V. sieht neben der grundsätzlichen Kritik am Instrument Repression / Prohibition gravierende Mängel bei dieser Initiative der Bundesregierung.

Sie beschränkt sich um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen auf die Schaffung neuer Straftatbestände. Eine vernünftige Drogenpolitik muss eine Ausweitung der Forschung über die Substanzen und ihre Konsumenten beinhaltet. Insbesondere Bemühungen in den Bereichen Toxikologie und Notfallmedizin können helfen Gefahren und sogar Todesfälle zu verhindern. Die Therapie muss für Konsumenten der NSP mit einem problematischen Konsummuster angepasst bereitstehen. Prävention muss generell flächendeckend zur Verfügung stehen und ausreichend finanziert werden. Drugchecking-Programme helfen und fördern bei Konsumenten eigenverantwortlichen Konsum und versetzen die Drogenhilfe in die Lage mit Konsumenten frühzeitig in Kontakt zu geraten und zielgerichtet zu beraten. Hiermit können Drogennotfälle und potentielle Suchtentwicklungen präventiv bearbeitet werden.

Einzelne Modellprojekte ersetzen keine Regelversorgung.

Ebenso fehlt eine Evaluationsklausel.

Auf die Frage ob das Gesetz in seiner vorliegenden Form überhaupt mit der Verfassung und den Grundsätzen Getrenntheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit vereinbar ist, haben bereits andere hingewiesen.

Daneben gibt es einen mangelhaften Vollzug derzeit schon bestehender Gesetz. So wird im aktuellen Jahresbericht von jugendschutz.net aufgezeigt, dass es den Behörden derzeit nicht einmal möglich ist den Verkauf von Substanzen an Minderjährige durch deutsche Online-Shops wirksam zu unterbinden.

Problem: Kriminalisierung von Konsumenten

Akzept e.V. begrüßt den Tenor des Gesetzes nicht die Konsumenten bestrafen zu wollen. Jedoch bestehen große Zweifel, ob dies der Realität entsprechen wird.

Auffangtatbestände wie die „Anstiftung zum Inverkehrbringen“ öffnen den Behörden hier Tür und Tor ebenso wie der „Handel“.

Auch wenn nur analog zum AMG der Handel etc. bestraft werden soll, gibt es zahlreiche Fälle bei denen in der Vergangenheit dies trotzdem zur Kriminalisierung von Konsumenten bzw. legalen Handlungen genutzt wurde. So wurden 2008 massenweisen Kunden zweier Chemikalienhändler durchsucht, weil sie GBL bestellt hatten. Ohne eine Prüfung des Einzelfalls, beispielsweise der bestellten Mengen wurde, wegen des Verdachtes auf illegalen AMG-Handels Durchsuchungsbeschlüsse erlassen und vollzogen. Selbst wenn die gefundenen Mengen GBL viel zu gering für eine Anklage oder Verurteilung waren, erlebten die Betroffenen einen erheblichen Grundrechtseingriff. In einigen Fällen gab es „Beifang“ wie geringe Mengen BtMs, die Strafen nach sich zogen. Neben dem GBL werden regelmäßig Handies und Computer für lange Zeit beschlagnahmt.

Solange Beweismittel auch nach rechtswidriger Wohnungsdurchsuchung verwertet werden können, sind auch Delikte a la AMG-Handel geeignet um gegen Konsumenten vorzugehen.

Welche Richtung hier politisch in den einzelnen Bundesländern vorgegeben wird, deutet sich im Vorschlag aus Bayern im Ausschuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrates an. Der Ausschuss beschloss die Forderung:

„Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob der verbotene Erwerb und Besitz von neuen psychoaktiven Stoffen als Straftatbestand oder zumindest als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet werden sollte.“

Begründet wird dies, da es sonst „keine Handhabe gegen die Endkonsumenten“ gäbe. Das Ziel des Gesundheitsschutzes soll über diese strafbewehrte „Abschreckungsmöglichkeit“ erreicht werden. Der zu schützende Konsument als eigentlicher Täter bezeichnet: „Um die von NpS ausgehenden Gefahren effektiv zu bekämpfen und eine Verbreitung nachhaltig und dauerhaft einzudämmen, muss daher gerade auch bei den Personen angesetzt werden, die den Markt für NpS durch ihre Nachfrage schaffen: den Konsumenten.“

Auch wenn der Bundesrat diesen Vorschlag nicht folgte, ist die Mehrheit der Innenminister für einen solchen Ansatz.

Grundrechtseingriffe und Kosten

Der Gesetzesentwurf möchte die Grundrechte weiter einschränken und die Telekommunikationsüberwachung über § 100a der Strafprozessordnung erweitern. Schon heute sind bei der Hälfte aller TKÜ-Anordnungen „Straftaten nach Betäubungsmittelgesetz“ der Anlass. Alltäglich werden hier massenweise Tatverdächtige bis hinunter zur Ebene des einzelnen Konsumenten ins Visier genommen. Dieses Mittel ist zudem aufwendig, kostenintensiv und bindet in den meisten Fälle unverhältnismäßig Ressourcen. Wie groß der „Erfüllungsaufwand der Verwaltung“ sein wird, hängt davon ab wie sehr Konsumenten ins Visier genommen werden.

Alle Drogen differenziert betrachten

Die Bundesregierung geht in ihrer Gegenäußerung auf den Vorschlag des Bundesrates die Strafen anstelle des AMG am BtMG anzulehnen, ein und lehnt dies ab. Sie verweist auf die großen Unterschiede bei den Wirkungen und Gefahren der einzelnen Substanzen und den Mangel an Evidenz über die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung.

Akzept e.V. begrüßt diese Position und fordert generell eine differenzierte Betrachtung aller Drogen.

Bedauerlicherweise wurden in der Vergangenheit zahlreiche Stoffe trotzdem und entgegen der Kriterien in §1 Abs. 2 BtMG dem BtMG unterstellt. Neben den dutzenden Substanzen der jüngsten Vergangenheit betraf dies auch Salvia divinorum. Diese Droge wurde dem BtMG unterstellt trotz der Mängel bei der Evidenz (vgl. Kleine Anfrage Drucksache 16/6150).

Dieser differenzierte Ansatz sollte jedoch nicht nur in Richtung von NpSG ins BtMG Anwendung finden. Auch alle im BtMG bereits enthaltenen Stoffe, sollten aufgrund ihrer Unterschiede bei ihren psychoaktiven Wirkungen, ihrem Nutzen und dem Gefahrenpotential neu bewertet und behandelt werden. Regelmäßig muss es Überprüfungen der Substanzen hinsichtlich ihrer Anwendungs- und Gefährdungspotentiale sowie eine Bewertung ihrer Verkehrsfähigkeit geben. Dies auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Substanzkonsum und Suchtentwicklung.

Einschränkung von Wissenschaft und Forschung, Einsatz in der Medizin.

Auch wenn das NpSG hier explizit keine Einschränkungen und Lasten mit sich bringen soll, bleibt abzuwarten ob dies wirklich der Fall sein wird. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass sowohl das UN Einheitsabkommen als auch das Betäubungsmittelgesetz trotz anders lautender Präambel bzw. Gesetzeszweck sehr wohl und massiv Medizin und Wissenschaften eingeschränkt haben.

Zum Antrag „Für eine zeitgemäße Antwort auf neue psychoaktive Substanzen“

Akzept e.V begrüßt den Antrag der Fraktion DIE LINKEN. Er stellt eine echte Alternative zum Antrag der Bundesregierung dar. Zahlreiche Forderungen wurden in der Vergangenheit im Bundestag einzeln konkret diskutiert. Akzept e.V. hat diese bereits über Stellungnahme u.ä. kommentiert, was hier nicht wiederholt werden muss.

Es ist zu befürchten, dass der konkrete Antrag der LINKEN sowie die weiteren laufenden Initiativen von Grünen und LINKEN aufgrund der faktischen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag abgelehnt werden.

Konkrete Forderungen der Fachwelt umsetzen

Akzept e.V. weist daher darauf hin, dass einzelne Forderungen jedoch von (nahezu) allen Sachverständigen dieser und vergangener Anhörungen begrüßt wurden.

Insbesondere die Forderung nach einer Entkriminalisierung der Konsumenten wird unisono von der Fachwelt an die Politik herangetragen. Es ist schwer begreiflich warum diese Forderung von der Politik über alle Parteigrenzen hinweg Zustimmung erfährt, aber nicht einmal ein Minimalkonsens ernsthaft angegangen wird. Das Gleiche gilt für die Forderung nach fairen, an der Verkehrssicherheit orientierte Regeln im Bereich Straßenverkehr und Führerscheinrecht.

Der Deutsche Bundestag und insbesondere auch die Regierungfraktionen sind angehalten die selbst erbetenen Stellungnahmen der Fachwelt ernst zu nehmen und solche Punkte endlich anzugehen.

Mit freundlichen Grüßen,
Maximilian Plenert für den Vorstand von akzept e.V.
Berlin, 02.07.2016