Das Hanfjournal titelte am Mittwoch „Die Grünen kommen nicht zum Pot“. Kritik an der Politik der Parteien ist wichtig und wird ernst genommen – wenn sie richtig und vollständig ist. Dies ist hier meiner Ansicht nach nicht der Fall. Hier erst einmal meine Kritik an der Kritik, zur Vollständigkeit schreibe ich im nächsten Artikel etwas.
Zu Beginn werden die „allgemeine Aussagen zur Entkriminalisierung ohne Cannabis-Bezug“ im rot-grünen Koalitionsvertrag in NRW kritisiert. Konkrete Aussage dort lautet „In einem Aktionsplan zu Drogen und Sucht werden wir die drogenpolitischen Schwerpunkte zu Prävention, Hilfe und Entkriminalisierung ausweiten und fortführen.“ Ich weiß ehrlich gesagt nicht was positiv daran sein soll, wenn die erwähnte Entkriminalisierung auf Cannabis und seine Konsument_innen eingeschränkt worden wäre. Repression ist immer Scheiße und die Konsument_innen von Heroin, Amphetamin oder Kokain sollten ebenso entkriminalisiert werden wie die von Cannabis.
Als schräg empfinde ich auch die Aussage: „Schaut man sich Grüne Drogenpolitik seit 1998 an, kann man feststellen, dass kein einziger Koalitionsvertrag, egal ob auf Bundesebene oder Landesebene, auch nur mit einem Wort auf die Entkriminalisierung oder gar die Re-Legalisierung erwähnt.“ nachdem einige Sätze zuvor noch die Entkriminalisierungsformulierung in NRW kritisiert wurde – eine exklusive Cannabisentkriminalisierung ist drogenpolitisch weniger wert. Im nächsten Absatz z.B. Schleswig-Holstein erwähnt wird. Dort soll nicht nur die „Geringe Menge“ erhöht werden, sondern zudem noch eine Bundesratsinitiative für eine echte Entkriminalisierung, also ein Ende der Strafbarkeit beim Besitz einer geringen Menge, initiiert werden. Mehr Entkriminalisierung kann ein Bundesland nicht fordern!
Natürlich ist das Kleinklein um die geringe Menge primär symbolische Politik, aber auf dieser Ebene ist beispielsweise Berlin der Leuchtturm, der gerade ohne Not gesprengt werden soll. Alleine durch die mögliche Absenkung von 10 bzw. 15 Gramm in Berlin würden mehrere Hundert Menschen jährlich statt einer Verfahrenseinstellung einen Strafbefehl oder ein Gerichtsverfahren am Hals haben. Die Anhebung der Geringen Menge in NRW und Rheinland-Pfalz dürfte einer vierstelligen Zahl von Hanffreunden jährlich eine deftige Geldstrafe oder schlimmeres ersparen. Dies als bedeutungsloses „Bullshit-Bingo“ mag angesichts der Frustrationsniveaus in der Hanfszene verständlich sein, richtig ist es deswegen trotzdem nicht.
Ein wenig Cannabis-Entkriminalisierung über eine Bundesratsinitiative ist nicht der große Wurf, aber angesichts der Bilanz der letzten Jahre wäre es etwas überhaupt mal etwas Bewegung. Ein Ende der Strafbarkeit von Cannabisbesitz wäre ähnlich wie Heroinverschreibung oder Sativex ein Paradigmenwechsel. Was helfen weitgehende Legalisierungsanträge, wenn man dafür die SPD nicht mitnehmen kann? Mehr zu dieser taktischen Frage gibts im Interview mit Dr. Harald Terpe, dem drogenpolitischen Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion zum Antrag „Eigengebrauch von Cannabis wirksam entkriminalisieren – nationale und internationale Drogenpolitik evaluieren“.
Wie schwer Verhandlungen und Koaltionen mit der SPD sind zeigt ein erschienen Hanfjournalartikel, der am Tag zuvor erschien. So fabulierte die SPD in Kiel – die innerhalb der SPD zum liberaleren Teil gehört – in einem Zeitungsartikel zum Koalitionsvertrag etwas von Einstiegsdroge Cannabis…
In der ZITRO, der Mitgliederzeitung der GJ BaWü, ist von Innenminister Reinhold Gall (SPD) zu lesen, dass „man seiner persönlichen Meinung nach den Cannabiskonsum auch nicht entkriminalisieren sollte“.
Ferner gab er zu verstehen, dass die Entkriminalisierung nicht im Koaltionsvertrag stünde und nicht umgesetzt werde.
Der Fraktionsvorsitzende Schmid schrieb mir auf abgeordnetenwatch: „Unsere Landtagsfraktion hat bereits „im letzten Jahrtausend“ – damals leider erfolglos – beantragt, dass die Landesregierung Grenzwerte für geringe Mengen festlegen möge. Andere Bundesländer sind hier schon längst weiter. Ich gehe davon aus, dass die neue Landesregierung in Baden-Württemberg auch ohne spezielle Vereinbarung im Koalitionsvertrag hier zu einem Fortschritt kommt.
Wenn sich nicht einmal die SPD grün ist, wie soll es dann insgesamt grüner werden?
Der Artikel zur Vollständigkeit der Kritik erscheint im Verlauf des Tages.