„Cannabis legalisieren bedeutet den bestehenden Schwarzmarkt für Cannabis sollte durch einen regulierten Markt für Erwachsene mit Jugend- und Verbraucherschutz (Kontrolle von Qualität und THC-Gehalt) zu ersetzen.“ – Vorschlag des Deutschen Hanfverbandes und Gewinner des Platz 2 beim Zukunftsdialog von Angela Merkel
Dieser* Forderung stimmt inzwischen die Mehrheit aller Männer, der Wähler von Grünen und LINKEN, Freiberufler sowie Menschen mit einem Abitur, oder einem Einkommen über 3000 Euro im Monat zu. Dies ermittelte Infratest Dimap im Auftrag des Deutschen Hanfverband Ende 2015. In keiner gesellschaftlichen Gruppe sank die Zustimmung unter 29%. Wenn der Trend der letzten Jahre anhält, dürfte die Zustimmung insgesamt von 42% inzwischen weiter gewachsen sein.
* Die genaue Fragestellung in der Umfrage lautete: „Cannabis sollte für Volljährige legal und reguliert erhältlich sein, zum Beispiel über Fachgeschäfte wie in Colorado.“
Die politischen Forderungen „Cannabis für Erwachsene“ und „Jugendschutz durch Legalisierung“ sind damit in absehbarer Zeit mehrheitsfähig. Über die Ausgestaltung wird sicherlich noch streiten, aber zumindest bei diesen einigen Punkte dürfte man sich einig sein. Welche Forderungen gibt es in der Diskussion für die Jugendlichen? Welche Widersprüche ergeben sich aus ihnen? Wie kann eine gute Regelung aussehen?
Ein regulierter Markt für Erwachsene – Welche Regeln für Jugendliche?
Für den Markt sind strenge Regeln für den Jugendschutz mit wirksamen Kontrollen und Strafen vorgesehen. Minderjährigen ist jeder legale Zugang zu Cannabis verschlossen. Gleichzeitig möchte man eine moderne Suchtprävention und einen akzeptierenden und realistischen Ansatz. Drogenmündigkeit soll von Anfang an gefördert werden – aber halt irgendwie ohne Cannabis. Es soll endlich offen mit Jugendlichen über Cannabis gesprochen werden, welches sie garnicht besitzen dürfen. Wie beim Alkohol können Ältere ganz normal und schrittweise an Cannabis heranführen. Drogenkultur und soziales Lernen sind die Instrumente, die wirkungsloses Strafrecht, Moralismus und Paternalismus überwinden.
Welche rechtlichen Regeln sollen für Jugendliche in Zukunft gelten? Auf der eine Seite soll mit der Legalisierung die strafrechtliche Verfolgung von Konsumenten – teuer, schädlich & gescheitert – beendet werden. Andererseits soll der regulierte Markt erst aber nach dem Erreichen der Altersgrenze zugänglich sein und die wird scharf kontrolliert. So richtig legalisieren können wir die Jugendlichen dann also doch nicht und es werden nur die Strafen für sie reduziert? Selbstverständlich wird jede Abgabe von Cannabis von Erwachsen an Minderjährige hart bestraft werden – oder?
Das heutige Jugendschutzgesetz bei Alkohol
Das Jugendschutzgesetz sieht vor dass Minderjährige in Begleitung eines Erziehungsberechtigen früher Alkohol konsumieren dürfen. Das Cannabiskontrollgesetz der Grünen verbietet jedoch Jugendliche auch in Begleitung ein Cannabisfachgeschäft zu betreten. Die Konsum- und Abgabeverbote für Alkohol an Jugendliche gelten überdies nur für Gaststätten, Verkaufsstellen und sonst in der Öffentlichkeit. Außerhalb dieser obliegt den Eltern oder anderen „erziehungsbeauftragten Personen“ die Aufsichtspflicht. Wie viel Kontrolle hier zumutbar oder realistisch ist im Detail umstritten, faktisch haben gerade Eltern kaum ernste Strafen – alleine wegen dem Alkohol – zu befürchten. Auch der Alltag in Sportvereinen, Jugendfeuerwehren u.ä. haben hier ein gesellschaftlich akzeptiertes Gewohnheitsrecht geschaffen. Dies gilt primär für die Duldung des Konsums, aber ebenso auch für die Abgabe von Alkohol an Jugendliche.
Verstöße werden rechtlich als Ordnungswidrigkeit und nicht als Straftat. Harte Konsequenzen erfolgen wenn überhaupt über das Gewerberecht (Entzug der Konzession) oder das Berufsrecht (Beispielsweise bei Lehrern). Ein allgemeines strafrechtliches Verbot für jede Abgabe von Alkohol an Jugendliche, welches dann auch auf die Duldung von Konsum oder Abgabe ausstrahlt, erscheint hier nicht angebracht. Zudem widerspricht es von seiner Ausrichtung und seinen Auswirkungen den zuvor beschreiben drogenpolitischen Forderungen.
Widersprüche müssen aufgelöst werden
Dieses Beispiel zeigt dass es bei dem Punkt Jugendliche und Cannabislegalisierung einiges so nicht ganz zusammenpasst. Gelten die Vorteile eines regulierten Marktes anstelle des Schwarzmarktes nur für Erwachsene? Soll die Gruppe die den Schutz am meisten braucht weiter auf den Schwarzmarkt angewiesen bleiben?
Welche unterschiedlichen Regeln man für den Besitz und den Konsum von Cannabis bei Jugendlichen diskutieren kann, ist hier ausformuliert:
Möglichkeit 1: Analog zu Alkohol: Unter 18 Jahren dürfen Jugendliche Cannabis besitzen. Sie dürfen es nicht erwerben oder öffentlich konsumieren. Der private Konsum ist legal und fällt in die Verantwortung der Erziehungsberechtigten. Volljährige Begleitpersonen dürfen zur Verhinderung des Konsums intervenieren, es ist mit den Eltern Absprache zu halten. Im Zweifelsfall dürfen die Begleitpersonen immer und den Konsum unterbinden. Die Schule und Lehrer sollen Cannabis ins Gewahrsam nehmen um einen Konsum unter ihrer Verantwortung zu unterbinden.
Möglichkeit 2: Der Besitz unter 18 Jahren ist rechtswidrig. Die Polizei darf beschlagnahmen. Eltern und Dritte müssen auch nicht intervenieren, volljährige Begleitpersonen sollen ggf. intervenieren.
Möglichkeit 3: Der Besitz unter 18 Jahren ist verboten. Bei einem Verstoß wird das Jugendgericht eingeschaltet und kann verpflichtende Maßnahmen anordnen. Eltern und Dritte müssen nicht unbedingt intervenieren, volljährige Begleitpersonen sollen intervenieren.
Für jeden Aspekt gilt es Ziele zu analysieren
Um diese widersprüchlichen Vorstellungen aufzulösen sollte man zunächst bei jedem Aspekt klar trennen:
- Was sind die gewünschten Ziele?
- Was davon ist praktisch umsetzbar?
- Welche Nebenwirkungen würde es geben?
- Welche Ziele widersprechen sich?
- Welche Kompromisse müssen gemacht werden?
- Zuletzt muss man sich als politisch denkender und handelnder Menschen immer fragen: Was ist umsetzbar?
So wäre ein Einstiegsalter von 25 Jahren sicherlich gesundheitspolitisch wünschenswert. Erreichbar ist dieses Ziel nicht.
Bei der Sanktionierung der Weitergabe ans Menschen unter das Mindestalter ist grundsätzlich zwischen kommerziellen und nicht kommerziellen Absichten zu unterscheiden. Eine nicht kommerziell motivierte Weitergabe kann nie komplett unterbunden werden. Sie ist alleine ist vermutlich selten die zentrale Ursache für Probleme.
Grundlagen für die Diskussion
Grundsätzlich kann man sagen: Kinder und Jugendliche sind besonders verwundbar, für sie ist der Konsum von Cannabis besonders gefährlich ebenso wie die Gefahren des Schwarzmarktes. Ihr Konsum ist unerwünscht, darf aber Prävention und Hilfe nicht im Weg stehen.
Jugendschutz ist eine Regulierung des Marktes und Sanktionierung von Erwachsenen die Jugendlichen schaden. Eine Sanktionierung von Jugendlichen bricht mit dieser Idee. Gleichwohl gibt es und soll es auch weiterhin geben Regeln z.B. bei Schulausflügen oder Konsum in der Schule. Bei Kindswohlgefährung jeder Art darf das Jugendamt intervenieren.
Zudem dürfte es Vorbehalte geben bei einer Legalisierung von Cannabis die Einflussnahmemöglichkeiten auf Jugendliche über das Jugendstrafrecht gänzlich fallen zu lassen. Eine Analogie mit Alkohol wird aufgrund der Probleme dies bei Alkohol gibt nicht als Begründung genügen.
Beim Alkohol haben wir ein abgestuftes Mindestalter von 16 und 18 Jahren für den Verkauf sowie dem Gestatten des öffentlichen Verkehrs. In Begleitung von Erziehungsberechtigten gibt bei Wein und Bier ein Jahre von 14 Jahren. Es gibt kein Besitzverbot. Den Erziehungsberechtigten kommt die Hauptlast der Verantwortung zu. Der Staat greift als Polizei erst bei Gefahr im Verzug bei volltrunkenen Jugendlichen ein oder bei der Unterbindung des öffentlichen Konsums. Die formale Rechtslehre und die Praxis sind hier nicht übereinstimmend. Wo der Besitz endet und der öffentliche Konsum beginnt ist fließend. Die Regelungen zum Ausgehen sind ähnlich.
Konkreter Vorschlag: Bewertung von Cannabis anhand des CBD Gehaltes
Exkurs: Cannabidiol – Mindestgehalt als Harm Reduction?
Beim Genussgebrauch bewirkt CBD kein „High“, sondern agiert dem THC-Rausch teilweise entgegen. Durch diese Hemmung und seine antipsychotische Wirkung mindert ein hoher CBD Gehalt im Cannabis die psychischen Risiken. Es wird vermutet, dass es einen Zusammenhang zwischen dem verschobenen THC zu CBD Verhältnis durch Züchtungen und dem Anstieg der Fälle von induzierten Psychosen sowie Schizophrenie im Zusammenhang mit Cannabis gibt. Daher ist der CBD-Gehalt von drogenpolitischem Interesse und ermöglicht eine rechtliche Abstufung beim Umgang mit der Droge wie sie bei Alkohol zwischen Bier und Schnaps besteht.
Analog zu Alkohol könnte es auch bei Cannabis die Altersgrenzen 16 und 18 geben. Mit 16 wären z.B. nur Cannabisprodukte mit einem THC Gehalt von höchstens 5% und mindestens 5% CBD erhältlich. Denkbar wäre ein öffentlicher Konsum mit Begleitung der Eltern von 14 bei schwachem Cannabis und/oder 16 bei starkem Cannabis.
Details sind anstrengend, einfache Verbote sind einfach falsch
Mit einer Kriminalisierung Jugendlicher und nicht anderes ist eine strafbewehrtes Verbot würde wie bei einem Anlassgesetz ein rechtspolitisch inkohärenter Sonderregelung für Cannabis geschaffen. Entweder wird es ein wirklungloser Papiertier und Symbolpolitik oder es enthält gruselige Zwangsberatungsregelungen für bei anderen Drogen, bei Erwachsenen und vergleichbaren Themen nicht existieren.
Die Verantwortung der Eltern und die Drogenmündigkeit der Gesellschaft insgesamt kann nicht durch Strafgesetze ersetzt oder erzwungen werden