Abhängigkeit oder wirksame Therapie – Eine Frage der (Nicht-)Diagnose?

bz_nachschrankdrogenmutterBZ vom 30.8.2014: Der Nachtschrank einer Drogenmutter . Sarah B. nahm Speed und kiffte – jetzt will sie für ihre beiden kleinen Kinder wieder ein normales Leben führen. Alles über das Schicksal der Drogenmutter am Samstag in der B.Z.!

Hätte Sarah B. eine Ausnahmegenehmigung für den Erwerb von Cannabisblüten sowie eine AHDS-Diagnose wäre sie bei (fast) dem gleichen Substanzgebrauch keine Drogenmutter sondern eine gute therapierte Patientin.

Zur Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms müssen nach der ICD-10 mindestens drei der folgenden Kriterien während des letzten Jahres gemeinsam erfüllt gewesen sein:

  • starkes, oft unüberwindbares Verlangen, die Substanz einzunehmen
  • Schwierigkeiten, die Einnahme zu kontrollieren (was den Beginn, die Beendigung und die Menge des Konsums betrifft)
  • körperliche Entzugssymptome
  • benötigen immer größerer Mengen, damit die gewünschte Wirkung eintritt
  • fortschreitende Vernachlässigung anderer Verpflichtungen, Aktivitäten, Vergnügen oder Interessen (das Verlangen nach der Droge wird zum Lebensmittelpunkt)
  • fortdauernder Gebrauch der Substanz(en) wider besseres Wissen und trotz eintretender schädlicher Folgen.

Würde man eine Liste der Anzeichen für eine wirksamen medikamentöse Therapie mit guter Complaince aber auch mit Nebenwirkungen erstellen, fänden sich hier viele der Kriterien für ein Abhängigkeitssyndrom wieder. Damit wird offenbar wie verzerrend die Sicht von Medizin und der Gesellschaft auf den Gebrauch von Substanzen wie Cannabis ode Amphetamin sein kann.

Interessant ist hier auch das Kriterium „Leidensdruck“. Eigentlich ist der Leidensdruck des Patienten eine Grundvoraussetzung für die Diagnose einer psychischen Krankheit und das Therapieziel ist dessen Minderung. Da Leidensdruck auch aufgrund von Diskriminierung oder einer Coming Out Krise entstehen kann, Auf der anderen Seite fehlt bei den Diagnose-Kriterien der Leidensdruck. Bei psychotropen Substanzen werden aber regelmäßig Diagnose gestellt obwohl ein Leidensdruck verneint wird. Wie sehr Diagnosen von gesellschaftlichen Zwängen vorgegeben werden, zeigt die Abhängigkeit nach DSM IV.

Hier lautet ein Kriterium „Substanzgebrauch trotz wiederholten und deutlich nachteiligen Konsequenzen“ wie z.B. Versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen oder Inkaufnahme körperlicher Gefährdung oder Probleme mit dem Gesetz oder soziale oder zwischenmenschliche Probleme. Die letzten beiden Punkte für eine psychologische Diagnosen werden ganz oder teilweise durch den Gesetzgeber vorgeben.

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