Im Kontext der Cannabis Anhörung im Bundestag, aber auch anderen drogenpolitischen Debatten wird mit einer Vielzahl an Zahlen um sich geworden. So wird jede Änderung und sei es nur statisches Rauschen bei den Konsumentenzahlen – im Falle einer Steigerung – skandalisiert und als Argument gegen eine Liberalisierung angeführt bzw. – wenn die Zahl sinkt – totgeschwiegen oder als angeblicher Erfolg der eigenen Politik gefeiert. Gerade Zahlen von Cannabiskonsumenten in Behandlung und mit einer Abhängigkeit sind mit Vorsicht zu genießen. Erst ein genauer Blick in die Deutsche Suchthilfestatistik (DSHS) ermöglicht es seriös mit den Zahlen umzugehen, eine Übersicht hierzu bietet Simon in „Cannabis – Neue Beiträge zu einer alten Diskussion“.
Allein schon die Verwendung der Diagnose Abhängigkeit für so unterschiedlich starke Drogen wie Cannabis und Alkohol nennt der Cannabisforscher Kleiber „fragwürdig“. Seine Kollegin Soellner stellte fest dass der psychische Status von Cannabisabhängigen in der Regel klinisch nicht auffällig ist.
Zu den Behandlungszahlen ist anzumerken dass 30% der männlichen Klienten von Justizbehörden / soziale Verwaltung in Behandlung geschickt wurden. Ob diese Zahlen hoch- oder runtergehen entscheidet die polizeiliche und gerichtliche Praxis (z.B. als Teil von Auflagen bei einer Verfahrenseinstellung) und nicht die Probleme von Cannabiskonsumenten. Ähnlich wenig aussagekräftig sind Überweisungen durch die Schule oder die Familie, selbst der freiwillige Besuch einer Beratungseinrichtung ist kein harter Indikator für ein Drogenproblem, sondern kann auch auf ein hohes Gesundheitsbewusstsein hindeuten. Überweisungen z.B. durch Ärzte spielen bei Cannabis kaum eine Rolle und sind bei Alkohol und Opiaten 3-4 mal häufiger.
Interessanterweise haben auch ein Drittel der angeblich Behandlungsbedürftigen zu Behandlungsbeginn schon 30 Tage nicht mehr gekifft. Darunter fallen auch Fälle von denen Kollegen Theo Pütz vom Beratungsnetzwerk Führerschein berichtete, eine Therapie wird mitunter von den Führerscheinstellen gefordert, ohne vorige medizinische Diagnose zu deren Notwendigkeit versteht sich.
Auf der anderen Seite wird immer nur die Hauptdiagnose gezählt, obwohl auch andere Störungen vorlagen, diese aber nicht primär angesehen wurden. Diese Störungen müssen mit als Ursache für die Nachfrage im Drogenhilfesystem berücksichtigt werden. Bei 10% der Cannabisfälle wurde zudem eine Diagnose wegen Kokain gestellt und bei 19% wegen Amphetamin. In diesem Fälle wird trotzdem einzig und alleine die Hauptdiagnose Cannabis für die Statistik gezählt, bei den 25% der Betroffen mit einer Zweitdiagnose wegen Alkohol und 5% wegen Heroin ebenso. Eine zusätzliche Nikotinabhängigkeit wird nicht einmal erfasst – angesichts der deutlich stärkeren Entzugserscheinungen und Abhängigkeit bei Nikotin dürfte so manches „Cannbabis“-Problem in Wirklichkeit auf Nikotin oder eine der anderen stärkeren Substanzen zurückzuführen sein.
Simon kommt zu einem ähnlichen Fazit: Für ein Teil der betreuten Cannabisklienten zeige sich eine relativ unproblematische Situation, sie zeigen eine starke Steuerungsfähgikeit ebenso zeige der hohe Anteil erfolgreicher Beendigungen die wenigen Probleme der Klienten. Das andere Drittel mit einem täglichen Cannabiskonsum und zusätzlichen Diagnosen wegen anderen Drogen sind das Problem. Wie bei Heroin sollte es mehr Angebote der Schadensminderung geben, auch die Möglichkeiten frühzeitig Probleme (nicht den Konsum als solchen) zu verhindern seien nicht ausgeschöpft. Eine kommende Steigerung der Zahlen könnte auch ein Hinweis auf eine bessere Erreichbarkeit der problematischen Klientel hinweisen – eine gute Sache und kein negatives Zeichen.