Citius, altius, fortius! Der neue Mensch steht bereit!
Über Enhancement zwischen Alltag, Labor, Vision und Hype
Worum geht es hier? Was heißt Enhancement? Unter Enhancement versteht man „gezielte Maßnahmen zur Verbesserung geistiger und körperlicher Fähigkeiten sowie psychischer Befindlichkeiten bei einem gesunden Menschen“ – darunter fällt das Phänomen des „Hirndoping“, das immer wieder durch den Blätterwald rauscht. Wendet man aber diese Definition stringent an, findet man noch viel mehr. Die Debatte um das „neue Hirndoping von Studenten“ enthält dann nur noch wenig neues, denn der Wunsch Leistung und Wohlbefinden zu steigern ist alt. Ebenso sind die relevanten Mittel eher altbekannte als freakige neue Produkte aus dem Pharmalabor – fleißig geforscht und entwickelt wird dort natürlich auch. Enhancement ist abzugrenzen von Sportdoping und medizinischer Therapie, soweit dies möglich ist.
Für Schlagzeilen wie „Hunderttausende dopen sich für den Job“ (Tagesspiegel), „Jeder Fünfte ist für Doping am Arbeitsplatz“ (Focus Online) oder „Wir sind voll gut drauf!“ (TAZ) werden gerne die völlig unrepräsentativen Leser der Zeitschrift Nature (Prävalenzen über 20%) durchs Dorf gejagt oder die Nutzer wirkungsloser Ginkgo Präparate aus einer DAK Studie zu „Hirndopern“ gemacht. Die DAK schreibt selbst dass nur 1-2% der Arbeitnehmerschaft wirklich potente Mittel nehmen, ein Hirn Doping der breiten Masse ist ein reines Medienphänomen..
Das weitaus interessantere Ergebnis der DAK Studie ist: Die Bereitschaft zu Enhancement ist da. Um Körper und Geist den Bedingungen der kapitalistischen Leistungsgesellschaft anzupassen würden 40% zu Medikamenten greifen. Ein Missbrauch sehen sie darin nicht, die innere Legalisierung hat längst stattgefunden – Jahrzehnte voller Pharmawerbung sei Dank.
Fakt ist: Die Enhancement findet primär mit Koffein statt, gefolgt von Schmerzmitteln zur Sicherstellung unserer Leistungsfähigkeit sowie über den sonstigen „normalen Drogen“. Die gehypten Substanzen Modafinil und Ritalin gehen in ihrer Wirkung kaum über eine vernünftige Portion Koffein bzw. Amphetamin hinaus. Andere Substanzen wie Antidementika werden diskutiert und konsumiert, eine nachweisbare Wirkung gibt es meist nur unter Laborbedinungen oder bei wirklichen Defiziten. Bedenken gegen Enhancement brechen ob ihrer Fadenscheinigkeit schnell in sich zusammen: Legalität? Interessiert schon beim Kiffen niemanden. Verfügbarkeit? Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg bzw. ein Kollege eines Kollegen der jemanden kennt. Moral? Ist was für Kleingeister, Ausreden-Sucher und Feiglinge, die nicht bereit sind ihr Potenzial zu erkennen und auszuschöpfen. Gesundheit? Die „Kulturdroge“ Alkohol ist das wahre Neurotoxine der Moderne. Eben dieser ist im Beikonsum für viele den illegalisierten Substanzen wie MDMA zugeschriebenen Schäden verantwortlich.
Weil Enhancement schon längst stattfindet(,) sind die ethischen Diskussionen darüber dringend geboten,(.) Auch die problematischen Eigeninteressen der treibenden Kräfte dieser Entwicklung, Pharmaindustrie und Militär, müssen genau betrachtet werden. Viele Diskussionen werden aber schnell zu einer generellen Debatte über Leistung und dem Sein im Kapitalismus führen, also auch nichts Neues…
Der Soziologe Günter Amendt meinte dazu sehr passend in einem seiner letzten Vorträge zum Thema Enhancement: „Wenn gesunde Menschen Medikamente nehmen, muss die Gesellschaft krank sein!“ Meine positive Gegenthese wäre: „Enhancement kann ein Segen sein, der uns hilft unsere biologischen Einschränkungen zu beseitigen und besser zu funktionieren“. Aber selbst unter den offenensten Geistern bleibt die Frage: Lohnt es sich unterm Strich?
So oder so bleibt es bei altbekannten Forderungen: Reguliert die Pharmaindustrie! Legalisiert und reguliert über Drogenfachgeschäfte! Fördert Drogenmündigkeit!