Cannabidiol: Woher kommt die Verwirrung um die rechtliche Einstufung?

Ist CBD ein Arzneimittel oder darf es frei verkauft werden? Welche Regeln muss ein Kunde aus Deutschland oder ein Shop aus der Schweiz beachten? Welchen Unterschied können Verpackung und Beschreibung, CBD-Konzentration oder die Gesamtmenge CBD pro Packung ausmachen?

Zu diesen Fragen soll ich einen Artikel für das in.fused Magazin von Sens Media schreiben. Die Quintessenz könnt ihr dann in der kommenden Ausgabe nachlesen.

Um das Thema selbst besser zu verstehen, habe ich mir einen Crashkurs in Sachen Produktabgrenzung verpasst. Dieses Thema begleitet mich als Drogenpolitiker schon seit vielen Jahren. In der Vergangenheit gab es immer wieder Diskussionen und Prozesse ob Substanzen wie Salvia Divinorum oder „Legal Highs“ dem Arzneimittelrecht unterliegen. Mit diesem Konstrukt konnten die Behörden gegen Händler vorgehen und den Verkauf außerhalb von Apotheken untersagen bis die Substanz ihren Weg in das Betäubungsmittelgesetz gefunden haben. Als der EuGH dieser Praxis ein Riegel vorschob reagierte die Regierung mit dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz. Aber nun zurück zum eigentlichen Thema…

Angesichts des Inhaltes des Artikels möchte ich nochmal explizit darauf hinweisen dass ich kein Jurist bin und ich keine Haftung für die Richtigkeit oder Vollständigkeit meiner Aussagen übernehme. Der Artikel spiegelt meinem Kenntnisstand als Laie wieder und beschreibt wie ich mir das Thema aktuell erkläre.

Produktabgrenzung über Positivlisten oder bestimmte Eigenschaften

Die rechtliche Einordnung von Stoffen erfolgt meistens über zwei Wege. Entweder gibt es eine Positivliste in der der Stoff explizit genannt wird oder das Gesetz definiert die von ihm erfassten Stoffe über bestimmte Eigenschaften.

Eine solche Definition ist per se weniger präzise und es gibt Grenzfälle, die je nach Interpretation erfasst werden oder eben nicht. Arzneimittel oder Lebensmittel sind Beispiele für diese Möglichkeit der Definition. Die möglichen Strafen bei Verstößen in Grenzfällen sind deutlich geringer als im Betäubungsmittelgesetz. Zudem setzen diese Verstöße meist ein aktives Handeln wie den Verkauf voraus, im Gegensatz zum Verbot des bloßen Besitzes von Betäubungsmitteln. Der gewerbliche Umgang mit Arzneimitteln oder Lebensmitteln ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, standardmäßig werden ausreichende Kenntnisse der Gesetzeslage gefordert. Juristisch gesprochen ist der Normadressat des Gesetzes nicht der Konsument oder Käufer, sondern der Händler oder Hersteller. Wer ein Arzneimittel erwirbt muss und darf sich weitestgehend darauf verlassen dass der Anbieter die Gesetze kennt und achtet.

nulla poena sine lege certa

Das BtMG nutzt eine Positivliste: „Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen.“ Dies ist notwendig da Verstöße durch das Strafrecht geahndet werden. Je härter die mögliche Strafe, desto genauer muss der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Strafbarkeit festlegen (Bestimmtheitsgebot). Deswegen muss bei einer Strafbarkeit des bloßen Besitzes einer Substanz  der Bürger eine konkrete Aussage im Gesetz vorfinden ob die Substanz (vorausgesetzt er weiß um welchen Stoff es sich handelt) ein Betäubungsmittel ist oder nicht. Nur genau dann wenn sie in einer Anlage des BtMG genannt wird, greifen die Strafbestimmungen. Eine Positivliste verbietet eine Bestrafung für ähnliche Substanzen.

Das zugrunde liegende Bestimmtheitsgebot ist im Grundgesetz verankert und gilt daher auch bei Strafbarkeitslücken. Diese treten im Betäubungsmittelrecht regelmäßig auf wenn eine Substanz nach Ansicht der Regierung und Behörde als Betäubungsmittel einzustufen ist, aber der formale Weg dafür der einige Zeit dauert, noch nicht beschritten ist. Bis zur Verkündung der entsprechenden Rechtsverordnung zur Änderung der Anlagen des BtMG im Bundesanzeiger ist die Substanz kein BtM. In der Vergangenheit wurde wie oben erwähnt das AMG bemüht um zumindest gegen den legalen Handel vorgehen zu können. Bei der Substanz GBL wurden aber auch Hausdurchsuchungen bei den Kunden und Konsumenten über das AMG begründet, auch wenn dies wohl rechtswidrig war.

Was ist eine neue psychoaktive Substanz? Für den Normadressat kaum ermittelbar

Das Neue pychoaktive Substanzen Gesetz (NpSG) soll diese Strafbarkeitslücken schließen. Anstelle einer Positivliste mit konkreten Stoffen arbeitet des mit Substanzgruppen. Ich unterstelle einmal dass ich im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung über überdurchschnittliche Kenntnisse der Chemie und Pharmakologie, insbesondere im Bereich von Drogen verfüge und trotzdem habe ich enorme Schwierigkeiten die Definitionen dieser Gruppen zu verstehen. Hätte man den Abgeordneten vor der Abstimmung eine Handvoll Substanzen genannt und sie gefragt ob sie durch das Gesetz erfasst werden oder nicht, ich wette kaum einer hätte es gewusst… Das NpSG gilt explizit nicht für Arzneimittel.

Mehr zu diesem Thema: Meine Stellungnahme zum Gesetz bei der Anhörung im Bundestag als Vertreter von akzept e.V.

Rechtliche Einstufung von CBD

Die Unsicherheiten die es bei Konsumenten aber auch Händler bei CBD zeigten sich deutlich bei dem für viele praktische Fragen völlig unerheblichen Beschluss zur Verschreibungspflicht von CBD. Diese Verordnung betraf nur CBD als Arzneimittel und änderte nichts an der Frage wann CBD ein Arzneimittel ist oder welche Regeln bei einer anderen Einstufung bestehen. Um hier etwas Klarheit zu schaffen hier einige Ausführungen zur Produktabgrenzung mit praktischen Beispielen.

Alles eine Frage der Eigenschaften

Für die möglichen Kategorien in die CBD fallen kann gibt es keine Positivlisten, sondern verschiedene Definitionen für Arzneimitteln, Lebensmitteln, Kosmetika etc. Wie beschrieben entscheidet sich die Frage der Einstufung nicht alleine am Wirkstoff. Die Form, die Konzentration und auch die Aufmachung können hier ebenfalls den Unterschied ausmachen. Innerhalb der Kategorien gibt es weitere Unterdefinitionen und auch explizite Listen, die bestimmte Regeln zur Anwendung bringen

Bei anderen Stoffen gibt es zu den möglichen Einsatzformen formale Regelungen und eine herrschende Lehre, die bekannt und etabliert ist. Diese konkretisieren die allgemeinen Definitionen und geben so Orientierung. Für CBD fehlen solche Regeln und eine etablierte Praxis. Damit haben Behörden einen größeren Interpretationsspielraum bei der Auslegung der Regelungen.

Beispiel Koffein

Für Koffein können völlig unterschiedlichen Regeln gelten. Sie reichen im Alltag von einem freien Verkauf als Kaffee bis hin zu apothekenpflichtigen Koffeintabletten in der Apotheke. Neben den rezeptfreien Tabletten  auch für bestimmte Zubereitungen erhältlich für die eine Verschreibungspflicht gilt.

Was bei der Abgrenzung vom Arzneimittel hilft ist die Regelung der Wirkstoffes für andere Kategorien wie Lebensmittel. Koffein wird explizit in der Verordnung über Fruchtsaft, einige ähnliche Erzeugnisse, Fruchtnektar und koffeinhaltige Erfrischungsgetränke erwähnt.

In Lebensmitteln oder Cola gibt es nicht einmal eine Deklarationspflicht für den Koffeingehalt, solange dieser 15 mg / 100 ml nicht überschreitet. Von der Deklarationspflicht ausgenommen sind zudem Produkte die auf Kaffee oder Tee basieren. Heißt ein Produkt „Eistee“ braucht es keinen Hinweis auf den Koffeingehalt. Es gibt eine Höchstkonzentration von 32 mg pro 100 ml für Getränke mit zugesetztem Koffein. Fertiger Kaffee aus der Kühltheke ohne Koffeinzusatz ist kein „koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk“ und darf daher auch mehr Koffein enthalten.

Dann gibt es Energy-Shots mit einem höheren Koffeingehalt, die dürfen aber nur als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Dass erkennt man wiederum an dem Hinweis zur Verzehrsempfehlung, die nicht überschritten werden.

Koffeintabletten aus der Apotheke enthalten 200 mg Wirkstoff und haben ein festgelegtes Anwendungsgebiet: „zur kurzfristigen Beseitigung von Ermüdungserscheinungen.“ Koffeinkapseln aus der Drogerie sind Nahrungsergänzungsmittel, haben bis zu 100 mg Wirkstoff und dürfen nicht mit einer Indikation sondern nur mit allgemeinen Aussagen wie „Steigert Wachheit und Konzentration“ werben. Einmal sah ich in der Drogerie auch ein Präparat mit 200 mg.

Beispiele zur Verschreibungspflicht

Paracetamol ist nur in Packungen bis zu 10 Gramm für bestimmte Diagnosen ohne Rezept erhältlich oder auch wenn es als Zäpfchen verkauft wird. Ab 10 Gramm Paracetamol braucht man ein Rezept. Bei Ibuprofen hängt es mitunter zudem von Konzentration pro Tablette ab ob ein Rezept benötigt wird oder nicht.

Acetylcystein ist verschreibungspflichtig, darf aber auch explizit „in bilanzierten Diäten“ zugesetzt werden. Solche werden auch in Drogeriemärkten verkauft. Im Kampf um das lukrative Geschäft mit Arzneimittel gingen dm und Rossmann sogar soweit ein Acetylcystein-haltiges Arzneimittel zu verkaufen bis der Hersteller dem ein Riegel vor schob. Apotheker sehen sogar generell Nahrungsergänzungsmittel als „apothekenübliche Ware“, die besser nur von ihnen verkauft werden sollte.

Beispiele zur Apothekenpflicht

In der Drogerie oder allgemeiner außerhalb von Apotheken können auch diverse medizinische Tees, Hustenbonbons sowie „mit ihren verkehrsüblichen deutschen Namen bezeichnete a) Pflanzen und Pflanzenteile, auch zerkleinert, b) Mischungen aus ganzen oder geschnittenen Pflanzen oder Pflanzenteilen als Fertigarzneimittel, c) Destillate aus Pflanzen und Pflanzenteilen“. Einige Pflanzen und Zubereitungen sind aber wiederum explizit ausgenommen, also eine Negativliste mit Ausnahmen von der Ausnahme der Apothekenpflicht. Nicht apothekenpflichtig sind unter anderem auch diverse Extrakte aus Thymian, Eukalyptusblätter oder Salbeiblätter mit ätherischen Ölen, also Terpenen. Eine relativ vollständige Liste außerhalb der Apotheke verfügbarer pflanzlicher Arzneimittel findet man im Sortiment von Anbietern wie Kräuter Kühne.

Auf keinen Fall außerhalb der Apotheke verkauft werden dürfen Mittel die z.B. eine antibiotische Wirkung zeigen. Gleichzeitig darf Johanniskraut bis zu einer gewissen Dosierung frei im Supermarkt verkauft werden, obwohl bekannt ist dass Johanniskraut zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamente führen kann. Unter anderem kann es die Wirkung von Antibiotikum oder der Anti-Baby-Pille beeinträchtigen. Die medizinisch wirksame Dosierung wird mit Präparaten aus der Drogerie explizit nicht erreicht, für Nebenwirkungen kann es aber reichen.

Arzneimittel: Aussehen oder Wirkung

Für eine Einstufung als Arzneimittel kann über die Zweckbestimmung („Präsentationsarzneimittel“, Name, Beschreibung, Nennung von Indikationen, Beipackzettel) oder die reale Wirkung („Funktionsarzneimittel“) erfolgen. Es reicht aus eines der beiden Kriterien zu erfüllen. Ob das Produkt gleichzeitig die Kriterien z.B. für ein Lebensmittel erfüllt, ändert nichts an der Einstufung als Arzneimittel („Zweifelsfall-Regelung“).

Die Wirkung muss positiv sein, d.h. Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten. Die Stärke der Wirkung hängt von der Dosierung ab. Ein Funktionsarzneimittel muss in der angegeben Dosierung eine „erhebliche Beeinflussung“ bewirken. Der gleiche Wirkstoff in einer sehr viel niedrigeren Dosierung und kleineren Wirkstoffmenge pro Packung kann dann nicht mehr als Funktionsarzneimittel eingestuft werden.

In der Vergangenheit wurde das Arzneimittelrecht genutzt um den Handel mit Drogen, die (noch) nicht unter das BtMG fallen zu unterbinden. Das „Legal High“ Urteil des EuGH stellte jedoch 2014 fest dass Stoffe, die nicht geeignet sind der Gesundheit zuträglich zu sein, die nur zu Rauschzwecken konsumiert werden und dabei gesundheitsschädlich sind, keine Arzneimittel sind.

Ein Thema das in der Praxis eine große Rolle spielt ist die Abgrenzung von Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln, wenn diese mit gesundheitsbezogene Aussagen („Health Claims„) beworben werden. Hier gibt es zahlreiche Regelungen, Streitigkeiten und Urteile was erlaubt ist und was nicht.

Eine Übersicht in Form eines Entscheidungsbaum wie die Einstufung von Stoffen erfolgt findet sich auf Seite 14 dieses Dokumentes.

Wie komplex das Thema Produktabgrenzung ist, fasste die „Abgrenzungs-Expertin“ im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM, Kerstin Stephan am Ende ihrer Präsentation „Einführung in das Thema – Abgrenzung von Arzneimitteln“ bei einer Veranstaltung zum Thema Produktabgrenzung mit einem Zitat von Salvador Dalí zusammen:

„Man muss systematisch Verwirrung stiften – das setzt Kreativität frei. Alles, was widersprüchlich ist, schafft Leben.“

„Alles steht im selben Regal“

In der gleichen Veranstaltung wurde auch das Problem „Alles steht im selben Regal“ thematisiert. In einem Regal werden dem Verbraucher Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetik angeboten. werden Während die Teilnehmer eher an Verbrauchermärkte dachten, sieht es in Apotheken nicht besser aus. Hier herrscht zwar die Ordnung dass apothekenpflichtige Arzneimittel nur hinter der Theke präsentiert werden und verscheibungspflichtige Mittel gar nicht zu sehen sein dürfen. In Teeständern finden sich aber auch in Apotheken bunt durchmischt apothekenpflichtige Phytoarzneimittel, wirksame Arzneitee und völlig triviale Kräutertees ohne jeden Anspruch oder rechtlicher Verpflichtung.

Dazu kommen noch anthroposophische und homöopathische Mittel sowie „orthomolekulare Medizin“. Präparate aus der „orthomolekularen Medizin“ sind in der Regel keine Arzneimittel sondern Nahrungsergänzungsmittel, werden aber auch neben echten Arzneimittel hinter der Theke präsentiert.

Freiverkäufliche Arzneimittel dürfen nicht als „Nur in der Apotheke erhältlich“ bezeichnet werden – aber genau das suggeriert die Anordnung von diesen auch in der Drogerie erhältlichen Produkten hinter der Theke neben echten Arzneimitteln.

Haben Apotheker ein schlechtes Gewissen wegen Homöopathie?

Homöopathische Mittel werden mitunter auf eine Frage nach einem Mittel für eine bestimmte Indikation gleichberechtigt angeboten und ohne einen entsprechenden Hinweis verkauft. Erlebt hat einen solchen Verkauf meine ehemalige Mitbewohnerin und das nicht irgendwo, sondern in einer Berliner Massenapotheke, ich glaube sie war direkt am Alexanderplatz. Dumm nur dass sie Ärztin ist und den Verkäufer erst einmal rund gemacht hat.

Warum gibt es eigentlich quasi keinen homöopathiefreie Apotheken?

Gerade Apotheker sollten sich hier ihrer Verantwortung bewusst sein. Die Erwartungshaltung von Kunden in einer Apotheke ist eine völlig andere als im Drogeriemarkt oder gar einem Supermarkt. Es ist beschämend dass Apotheker diesem Vertrauen nicht gerecht werden oder es gar zur Steigerung des eigenen Absatzes missbrauchen.

Laut Apotheke Adhoc (Artikel Homöopathie-Kritiker gegen Apothekenpflicht vom 09.02.2016 werden pro Jahr 450 Mio. EUR an Homöopathika in Apotheken eingenommen. Da es ca. 20.000 Apotheken in Deutschland gibt, ergeben das geschätzte Einnahmen von knapp 2.000 EUR pro Monat für eine Apotheke. – homoeopathiefreie-apotheke.de