Alternative Drogenpolitik

LINKE: Zugang zu Cannabis als Medizin umfassend gewährleisten!

Cannabis ist Medizin!
Cannabis ist Medizin!

DIE LINKE im 18. Deutschen Bundestag hat am 14.10.2015 einen Antrag zum Thema Cannabis als Medizin gestellt. In der Drucksache 18/6361 fordern die Abgeordneten „Zugang zu Cannabis als Medizin umfassend gewährleisten“.

Unterzeichnet ist der Antrag von den LINKEN-Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Jan Korte, Sabine Zimmermann, Sigrid Hupach, Matthias W. Birkwald, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Katrin Kunert, Cornelia Möhring, Norbert Müller, Harald Weinberg, Katrin Werner, Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Hier der Text des Cannabisantrages:

Zugang zu Cannabis als Medizin umfassend gewährleisten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Menschen mit schweren Erkrankungen müssen Zugang zu allen Behandlungsmethoden haben, die ihnen eine realistische Aussicht auf Heilung oder Linderung bieten. Allein die Aussicht auf Heilung oder Linderung eine Erkrankung sollte entscheidend sein, ob eine Therapiemethode rechtlich zulässig und auch erstattungsfähig durch die gesetzlichen Krankenkassen ist. Die heutigen Restriktionen beim Zugang zu Cannabis als Medizin sind dagegen ideologisch motiviert.

Es ist bezeichnend, dass die wenigen heutigen Möglichkeiten, Cannabis oder Cannabinoide als Medizin zu verwenden oder straffrei zu besitzen, weitgehend nur Reaktionen auf Gerichtsurteile oder internationale Arzneimittelzulassungen waren. Bundesregierung und Koalition waren und sind weit davon entfernt, die medizinische Anwendung von Cannabis endlich jenseits orthodoxer Denkverbote zu regeln. Weder medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse noch die Betäubungsmittelsicherheit können begründen, warum Menschen mit schweren Erkrankungen eine möglicherweise wirksame Therapieoption vorenthalten wird.

Selbst wenn eine der wenigen Ausnahmegenehmigungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorliegt, ist eine entsprechende Therapie nicht gesichert. Die monatlichen Kosten belaufen sich auf schätzungsweise 300 bis 600 €, bei einer Therapie mit dem einzigen verordnungsfähigen Cannabinoid Dronabinol auf etwa 250 bis 400 €. Da die Krankenkassen diese Mittel in der Regel nicht übernehmen und Menschen mit schweren Erkrankungen in Deutschland die Kosten meist nicht selbst tragen können, bleiben viele Genehmigungen Makulatur. Menschen mit schweren Erkrankungen werden so gezwungen, zur Linderung ihrer Leiden das Risiko von Geld- und Gefängnisstrafen in Kauf zu nehmen.

Zudem sind viele Ärztinnen und Ärzte nicht bereit, Dronabinol oder Cannabis zu verordnen. Denn mangels arzneimittelrechtlicher Zulassung haften sie persönlich, falls Gesundheitsschädigungen durch das Arzneimittel auftreten. Auch die Verordnung des einzigen zugelassenen Cannabis-Arzneimittels Sativex® Vorabfassung – wird durch die lektorierte Fassung ersetzt. Drucksache 18/6361 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode außerhalb der engen Indikation (Spastik bei Multipler Sklerose) birgt für Ärztinnen und Ärzte erhebliche rechtliche Risiken. Zurecht forderte der Bundesrat am 08. Mai 2015, Cannabis in die Liste der verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel aufzunehmen sowie durch nähere Bestimmungen mehr Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte herbeizuführen.

In Deutschland gibt es keinen legalen Cannabis-Anbau – weder privat zum Eigenbedarf, noch von pharmazeutischen Unternehmen zur Herstellung von Arzneimitteln. Daher sind die Patientinnen und Patienten auf legale und teure Importe von Medizinalcannabis aus den Niederlanden angewiesen. Zahlreiche Lieferschwierigkeiten (siehe Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Bundestagdrucksache 18/4539) brachten jedoch für die wenigen Menschen, die in Deutschland legal Cannabis als Medizin beziehen dürfen, weitere Unsicherheit und Verschlechterungen im Gesundheitszustand.

Die Folgen des grundsätzlichen Cannabis-Verbots stellen selbst schwerwiegende Nebenwirkungen einer legalen Behandlung mit Cannabis dar. So werden immer wieder Fälle bekannt, bei denen die Polizei Anzeigen gegen Patientinnen und Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung zur Verwendung von Cannabis aufgrund des Verdachts eines Verstoßes gegen das BtMG aufnimmt, etwa bei Verkehrskontrollen.

Unabhängig von der parallel geführten Debatte, Cannabis zu Genusszwecken zu erlauben (siehe etwa Antrag „Legalisierung von Cannabis durch Einführung von Cannabis-Clubs“ der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag auf Bundestagsdrucksache 17/7196), liegt eine umfassende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und damit auch der Zugang zu allen sinnvollen therapeutischen Möglichkeiten im öffentlichen Interesse. Es ist höchste Zeit, Cannabis anderen Arzneimitteln gleichzustellen. Schnellstmöglich und ohne das Bestäubungsmittelrecht grundlegend zu verändern müssen Menschen mit schweren Erkrankungen mit Cannabis bzw. Cannabinoiden versorgt werden können. Die weitere Erforschung von Nutzen und Risiken von Cannabis ist zu fördern, damit das therapeutische Potenzial von Cannabis bestmöglich erschlossen und für die Patientinnen und Patienten ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleistet ist.

Es ist nicht Sache der Politik, sondern der Wissenschaft, den medizinischen Stellenwert von Cannabis zu beurteilen. Die Politik ist aber verpflichtet, den Zugang zu allen infrage kommenden Therapieoptionen zu ermöglichen. Das ist nicht nur eine Frage der Gleichbehandlung, sondern vor allem des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit und der Würde der betroffenen Patientinnen und Patienten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. schnellstmöglich zu gewährleisten, dass die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz vom Cannabis im Sinne von § 3 Abs. 2 BtMG vom BfArM nicht ausnahmsweise, sondern in der Regel erteilt wird, wenn bei Menschen mit schweren Erkrankungen eine nicht ganz entfernte Aussicht auf einen Therapieerfolg besteht. Die bürokratischen Hürden für die Beantragung sind zu senken und die Gebühren für die Bearbeitung abzuschaffen;

2. in Zusammenarbeit mit den Ländern zu gewährleisten, dass Inhaberinnen und Inhaber einer BfArM-Genehmigung bei polizeilichen Kontrollen vor weiterer Verfolgung und Verurteilung zuverlässig geschützt sind. Das gilt insbesondere für Kontrollen im Straßenverkehr, soweit eine Vorabfassung – wird durch die lektorierte Fassung ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6361 Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit im Einzelfall nicht nachgewiesen wurde. Die Bundesregierung wird zudem aufgefordert, sich im Europäischen Rat und bei Verhandlungen mit Drittstaaten dafür einzusetzen, dass Inhaberinnen und Inhaber einer Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung von Cannabis auch bei Reisen ins Ausland vor Strafverfolgung und Verurteilung geschützt sind. Über die richtigen Maßnahmen der Patientin bzw. des Patienten bei Auslandsreisen soll das Auswärtige Amt umfassend und länderspezifisch informieren;

3. einen Gesetzentwurf vorzulegen,

a) der Cannabis sowie enthaltene wirksame Inhaltsstoffe als verkehrs- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel definiert (Übertragung von den Anlagen I und II in Anlage III) des BtMG durch Rechtsverordnung). Das gleiche gilt für synthetische Cannabinoide, für die es wissenschaftliche Hinweise auf einen medizinischen Nutzen gibt;

b) der die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln mit Cannabis und Cannabinoiden durch die gesetzlichen Krankenkassen im Falle einer durch das BfArM genehmigten und ärztlich verordneten medizinischen Verwendung durch eine Klarstellung im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gewährleistet;

c) der dem Gemeinsamen Bundesausschuss aufträgt, nähere Bestimmungen zur ärztlichen Verschreibung von Cannabis und Cannabinoiden vor allem hinsichtlich Indikation, Umfang, Reichdauer der Verschreibung und zulässiger Applikationsformen im Rahmen der GKV-Versorgung auf Grundlage des aktuellen Standes der medizinisch-wissenschaftlichen Forschung zu erlassen.

d) der die Herstellung von Cannabis-Arzneimitteln und den Anbau von Medizinal-Cannabis in Deutschland ermöglicht. Gemäß SuchtstoffAbkommen der Vereinten Nationen ist dafür eine Nationale CannabisAgentur zu gründen;

e) der durch Änderung von § 3 Abs. 2 BtMG die medizinische Verwendung ausdrücklich als Grund für die Erteilung einer Genehmigung für den Bezug und Besitz von Betäubungsmitteln der Anlage I BtMG benennt, damit die Priorität einer medizinischen Verwendung vor dem Ziel der Bestäubungsmittelsicherheit auch für andere Betäubungsmittel klargestellt ist;

4. die jahrzehntelang behinderte Forschung jetzt anzustoßen und aus Bundesmitteln die Grundlagen- und klinische Forschung zu Cannabis zu unterstützen. Geeignete Lizenzierungsmodelle für die Ergebnisse öffentlicher Forschung sind zu prüfen. Längerfristig muss gewährleistet werden, dass Menschen, die Cannabis aus therapeutischen Zwecken konsumieren, durch Nachweise der indikationsbezogenen Wirksamkeit und Sicherheit sowie der Arzneimittelqualität nicht schlechter gestellt sind als Patientinnen und Patienten, die zugelassene Arzneimittel anwenden.

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