Ich habe in letzter Zeit bei Vorträgen und Diskussionen einige Ad-Hoc-Thesen zu Cannabis als Medizin formuliert.
Hier die Thesen und darunter eine Erläuterung was damit gemeint ist.
1. Wir dürfen nicht auf weitere Studien warten
2. Cannabis ist kein Wundermittel, sondern ein eher schwaches aber vielfältig wirksames Medikament mit wenig Nebenwirkungen
3. Die Rechtslage ist weiter als die Köpfe
4. Cannabis passt nicht zu unserem Gesundheitssystem und ist aus den gleichen Gründen besonders wertvoll
5. Die Wünsche der Patienten müssen in den Mittelpunkt
1. Wir dürfen nicht auf weitere Studien warten
Die schlechte Studienlage wird sich mittelfristig kaum bessern. Für viele Diagnosen wird es vermutlich nie klinische Studien durch die Pharmaindustrie geben.
Angesichts des Potenzials von Cannabis als Medizin die Leiden von Schwerkranken zu lindern wäre es jedoch ethnisch unverantwortlich für den Einsatz auf weitere Studien zu warten.
Unter Beachtung aller Regeln der ärztlichen Kunst sollte wenn der Einsatz plausibel bei einem konkreten Patienten plausibel ist ein Therapieversuch unternommen werden. Die gilt insbesondere bei austherapierten und nicht optimal versorgten multimorbiden Patienten.
2. Cannabis ist kein Wundermittel, sondern ein eher schwaches aber vielfältig wirksames Medikament mit wenig Nebenwirkungen
Die Stärke von Cannabis ist nicht die spezifische hohe Wirksamkeit bei einer bestimmten Diagnosen, sondern die vielfältigen Wirkungen bei mehreren Leiden gleichzeitig. Hier übersteigt die Wirkung in Summe die Nebenwirkungen und Risiken.
Cannabis kann helfen andere Medikamente (teilweise) zu ersetzen und damit deren Nebenwirkungen zu vermeiden. Es kann anstelle von Medikamenten genutzt werden, welche gefährliche Wechselwirkungen erzeugen können oder wenn Unverträglichkeiten bestehen.
Durch ein dank Cannabis besseres Verhältnis von Wirkungen zu Nebenwirkungen bei der Gesamttherapie kann die Compliance gesteigert werden. Dies ist insbesondere bei chronischen Krankheiten eine therapeutisch wertvolle Wirkung.
3. Die Rechtslage ist weiter als die Köpfe
Ab 1.1.2017 ist die Rechtslage deutlich weiter als die Köpfe der Ärzte und der Gesellschaft.
Der Flaschenhals beim Einsatz von Cannabis als Medizin werden das Unwissen der Ärzte in Kombination mit der Sozialbürokratie für die Kostenerstattung werden.
Die Krankenkassen, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK, prüft in Zukunft die Erstattungsanträge der Patienten) und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA, zuständig für die Regeln der Kostenerstattung) sind die großen Unbekannten in der Gleichung. Gerade in Kombination mit dem Unwissen in der Ärzteschaft und der mangelhaften Studienlage wird daraus ein mehr oder weniger enger und langer Flaschenhals.
4. Cannabis passt nicht zu unserem Gesundheitssystem und ist aus den gleichen Gründen besonders wertvoll
Multimorbidität ist bei chronisch und schwer kranken Menschen eher die Regel als die Ausnahme. Gleichzeitig untersuchten Studien meist nur ein Medikament für eine Diagnose und Leitlinien berücksichtigen Multimorbidität kaum. Versorgungsprobleme bis hin zu tödlicher Polypharmazie sind die Folge.
Notwendig wären Studien, die die Wirkung einer üblichen Gesamttherapie mit Cannabis für eine bestimmte Gruppe chronisch Kranker mit der üblichen Therapie ohne Cannabis vergleicht. Das ist in unserem System so kaum denkbar, aber nur hier kann Cannabis seine Stärken demonstrieren.
5. Die Wünsche der Patienten müssen in den Mittelpunkt
Das umgekehrte Wissensgefälle bei Cannabis als Medizin bei dem der Patient mitunter mehr weiß als der Arzt ist unkonventionell und missfällt Ärzten.
Auch würde eine Medizin die anstelle einer Maximalversorgung eine für den Patienten optimale Versorgung zum Ziel hat, die Evidenz der gelebten Therapieerfolge von Millionen Nutzern von Cannabis als Medizin ernst nehmen.
PS: Auch bei dem schon genannten Faktoren Compliance hinkt das System seinen Ansprüchen hinterher