Leider existiert kaum Forschung zum Einsatz von Cannabis als Medizin bei ADHS. Meist wird. Meist wurde Cannabisgebrauch als Komorbidität und damit „nur“ als Problem untersucht.
Meiner Erfahrung nach, auch als Betroffener zur Wirkung von Cannabis bei ADHS hilft es um „Einfach mal nicht unter Strom zu stehen“ wie ich es in einem Interview beschrieben habe:
Es hilft bei Einschlafproblemen, sei es wegen des Ritalins oder einfach, weil es ein turbulenter Tag war. Durch Cannabis kann ich etwas zur Ruhe kommen, es dämpft die Überaktivität und Hektik. Davon profitieren insbesondere mein soziales Umfeld und meine Familie. Mit Cannabis kann ich auch mal Ritalin-Pausen einlegen, um einfach mal nicht unter Strom zu stehen. Damit ergänzen sich Cannabis und Ritalin von ihren Wirkungen und Einsatzmöglichkeiten – soweit ich das bisher bewerten kann. Bisher? Erst seitdem ich es bewusst als Medizin einnehme, achte ich genauer auf diese Wirkungen, während ich parallel auch noch immer dabei bin, mein ADHS zu verstehen.
Auch offene Fragen werden in diesem Interview erwähnt.
Patientenbericht zur Wirkung von Cannabis bei gleichzeitiger Einnahme von Methylphenidat
In diesem Bericht zeigt sich auch ein komplementärer Einsatz. Während das Medikinet adult für das Arbeiten im Büro hilfreicher ist, kann der Betroffene mit Cannabis in der Freizeit die sozialen Probleme mit ADHS mindern und gleichzeitig die Dosis und damit die Nebenwirkungen von Methylphenidat reduziert werden können. Andere Patienten berichten jedoch auch von einem Einsatz von Cannabis für die Arbeit, während dieser Patient unter der Wirkung von Cannabis schlechter arbeiten kann.
Es hilft bei Einschlafprobleme wegen des Medikinet und wegen der Depressionen. Durch Cannabis kann ich auch ohne Medikinet ruhiger sein. Davon profitiert insbesondere mein soziales Umfeld und meine Familie. Es lässt mich zur Ruhe kommen, trotz Medikinet und ADHS. Es dämpft Überaktivität und Hektik durch Medikinet und ADHS. Es kann den ADHS bedingten Fokusmangel in bestimmten Situationen besser kompensieren als Medikinet. Es ermöglich Medikinet Pausen einzulegen um einfach mal nicht unter Strom zu stehen, man ist gelassener und weniger hektisch.
Depressionen und Schlafstörungen
ADHSpedia schreibt zum Thema ADHS und Müdigkeit dass 40% aller Patienten mit ADHS zudem an Depressionen leiden und mehr als 80% an Schlafstörungen. Quelle: ADHS: Wenn der Sandmann zappelt, 23. April 2015 und Impact of a behavioural sleep intervention on symptoms and sleep in children with attention deficit hyperactivity disorder, and parental mental health: randomised controlled trial, Harriet Hiscock et al.; BMJ, doi: 10.1136/bmj.h68; 2015
Bei Depressionen wurde ein stimmungsaufhellender Wirkung von Dronabinol gefunden. In der Literatur finden sich zudem Berichte zur Wirkung bei Schlafstörungen. Auch CBD wirkt antidepressiv.
Cannabis – Komorbidität oder Medikament?
Der Einsatz von Cannabis bei psychischen Erkrankungen wird von der Ärzteschaft meist als problematisch angesehen. Allerdings sind Ursache und Wirkung von Cannabis bzw. Erkrankung hier schwer auseinander zu halten. In einer schwedischen Längsschnittstudie wurden „keine Längsschnitt-Beziehungen zwischen Cannabiskonsum und dem Auftreten von DEPRESSIONen/Angst, oder zwischen DEPRESSIONen/Angst und späterem Cannabiskonsum.“.
Eine Selbstmedikamentation kann leicht als Abhängigkeit eingestuft werden. Die Kriterien für eine solche Diagnose und die Merkmale für ein erfolgreiches Anschlagen eines Medikamentes überschneiden sich stark.
ADHS und Cannabis in Kanada
Im Kontext des Thema Cannabis und ADHS stieß ich aktuell auf die Canadian ADHD Practice Guidelines (CAP-Guidelines) – Third Edition von Canadian Attention Deficit Hyperactivity Disorder Resource Alliance (CADDRA) Stand November 2014. Zumindest für mich war es überraschend dass in einem Land mit einem relativ fortgeschrittenen Cannabis als Medizin System wie Kanada noch Aussagen wie die Folgenden von der Fachwelt vertreten werden:
Patients with ADHD are at significant risk of using illicit substances, particularly nicotine, cocaine and cannabis, and of starting at an earlier age than the general population54. Concurrent disorders with ADHD, like CD and BD, increase the likelihood of SUD55. While patients with ADHD do self-medicate with substances, it is important to dispel their belief that the use of illicit substances has a positive therapeutic benefit. […] For this reason, we do not recommend making a diagnosis of ADHD in the face of current substance abuse or dependence, even when childhood history is positive. The primary diagnosis in this circumstance is the substance problem and diagnosis of ADHD should be deferred until the patient is in recovery. Treatment of ADHD in patients who use marijuana without dependence or abuse is controversial and the risks and benefits of doing this have not been studied. Marijuana smoking (to calm themselves or facilitate sleep) is extremely common in this population. No treatment carries risk in itself and that treatment may minimize self-medication. Marijuana maybe laced with substances that are more dangerous and it makes little sense to use a medication to help a patient focus when they are self-medicating with a substance that impairs attention skills in the long-term.