Alternative Drogenpolitik

Rede von Burkhard Blienert (SPD) zum Antrag „Wirkungen des Betäubungsmittelrechts überprüfen“

Die SPD hält sich beim Thema Drogenpolitik schon seit Jahren leider sehr zurück. Bei einer Rede im Bundestag zeigte Burkhard Blienert jedoch zumindest eine gewissen Offenheit dem Thema gegenüber. Er erwähnte zudem eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Entkriminalisierung und Regulierung“ gibt es hier. Ich würde mich freuen wenn mehr Sozialdemokraten sich diese Rede durchlesen oder anhören würden und bei Debatte vor Ort zumindesten die gleiche Offenheit zeigen würden. Hier das Video der Rede, unten ist der Auszug aus dem Plenarprotokoll 18/39 zu finden.

Die Quelle für das Videos sowie weiterführende Links gibts auf Youtube.

Burkhard Blienert, SPD-Fraktion

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Zu Beginn der Legislaturperiode haben die besagten Strafrechtsprofessoren mittels einer Resolution zur Reform des Drogenstrafrechts eine wichtige Debatte angestoßen. Die Rechtsgelehrten fordern in ihr die Einsetzung einer Enquete-Kommission des Bundestages zum Thema „Erwünschte und unbeabsichtigte Folgen des geltenden Strafrechts“.

Zwar hat 1994 das Bundesverfassungsgericht – das ist auch schon mehrmals angeklungen – das Betäubungsmittelstrafrecht für verfassungsgemäß befunden, aber allen Beteiligten war die damalige lückenhafte Erkenntnislage deutlich bewusst. Nun, 20 Jahre später, sind wir hier ein ganzes Stück weiter. Mittlerweile liegen uns durchaus umfangreiche Erkenntnisse vor. Ich möchte einige einfach nur kurz anreißen.

Wir sehen zum Beispiel die Entwicklungen in anderen Staaten, die dort gemachten Erfahrungen und auch die Korrekturen in der staatlichen Drogenpolitik. Dabei sind es jedoch auch immer sehr spezifische und unterschiedliche Aspekte, die zu Neuausrichtungen in den jeweiligen Ländern geführt haben. Wir nehmen natürlich die Resultate, wie beispielsweise die aus den Niederlanden und aus Portugal, zur Kenntnis.

Warum jedoch einige Staaten neue Wege gehen, hat wiederum sehr unterschiedliche Gründe. Uruguay gibt zum Beispiel den Marihuana-Anbau komplett frei. Der Bundesstaat Colorado hat den Handel legalisiert, unter anderem auch, um höhere Steuereinnahmen zu erzielen. Auch das muss man natürlich bedenken.

Wir sollten daher auch erst einmal politisch beginnen, gemeinsame Ziele einer fortschrittlichen Drogen- und Suchtpolitik zu formulieren. Das Angebot nehme ich daher persönlich erst einmal auch an. In diesem Zusammenhang gilt es, Risiken und Nebenwirkungen etwaiger Maßnahmen genauestens abzuwägen. Das Minimieren von Gesundheitsrisiken und die Prävention muss bei allen Überlegungen höchste Priorität haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, allein auf Basis der fünf Thesen der Staatsrechtler – auch wenn es wirklich eine große Gruppe deutscher Staatsrechtler ist – zu arbeiten, halte ich jedoch für uns als Bundestag für zu dünn. Darauf gegründet eine hundertköpfige Expertenkommission ins Leben zu rufen, die mittels der sogenannten Delphi-Methode neue Erkenntnisse zu den Wirkungen des Betäubungsmittelrechts herausarbeiten soll, halte ich doch für recht experimentell.

Ich bin zwar einverstanden, wenn wir uns frei von Ideologie diesen Themen nähern; frei von Politisierung kann es aber nicht gehen.

Ich bin daher nicht sicher, ob diese Methode, die Sie in Ihrem Antrag erwähnen, tatsächlich ein geeignetes Instrumentarium zum Erkenntnisgewinn sein kann. Auch Sie selber sind sich da offensichtlich nicht ganz sicher, wenn Sie in Ihrem Antrag auch andere Verfahren für denkbar erachten.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir bauen Brücken, wo wir können! – Frank Tempel [DIE LINKE]: Wir wollen es leicht machen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es lohnt sich daher, für eine Debatte im Ausschuss einmal die Erkenntnisse, die vorhanden sind, zusammenzutragen.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat zum Beispiel bereits im Juni 2013 eine entsprechende Studie mit dem Titel „Entkriminalisierung und Regulierung“ veröffentlicht, die viele interessante Aspekte hierzu behandelt. Es lohnt sich schon, dort auch einmal hineinzuschauen.

Dabei wird deutlich, dass es eben um mehr als um das Strafrecht bzw. um rechtspolitische Fragestellungen geht. Es geht natürlich um gesundheitspolitische Fragen, um ökonomische Auswirkungen, um sozialpolitische Aspekte, auch um ethische Fragen.

Mein Fazit ist aber: Man kann und muss auch eine Debatte zu den Auswirkungen des Betäubungsmittelrechts führen. Ihr Antrag greift den wichtigen Beitrag

Burkhard Blienert, SPD-Fraktion

der Strafrechtsprofessoren und die medialen Berichterstattungen hierzu auf. Ihr Antrag insgesamt ist aber eigentlich ein Schnellschuss. Sie versuchen mit ihm, erst einmal kurzfristig Punkte zu machen, wohl wissend, dass mit der Einsetzung einer derart umfangreichen Expertengruppe dann wohl kaum mit Handlungsempfehlungen in dieser Wahlperiode zu rechnen sein dürfte.

Auch wenn der Antrag gut gedacht ist, er scheitert an Praktikabilität und zum Teil eben auch an Plausibilität.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Ich glaube, diese Stelle in Ihrem Text hatte ich angekündigt!)

Das Thema ist komplexer, und Lösungswege sind schwieriger zu finden. Der Umgang mit Cannabis und dem damit im Zusammenhang stehenden Diskurs nicht nur über das Betäubungsmittelrecht in Deutschland beschäftigt eben nicht ohne Grund Politikerinnen und Politiker seit vielen Jahren. Wir von der SPD-Bundestagsfraktion – und ich denke, auch die Kolleginnen und Kollegen von der Union – wollen nicht für die Ihrerseits unbedachten Nebenwirkungen dieses Schnellschusses verantwortlich gemacht werden. Lassen Sie uns daher in den entsprechenden Ausschüssen eingehend dazu beraten. Ich denke, dass dies der Sache dann insgesamt dienlich sein wird.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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