Alternative Drogenpolitik

Stellungnahme zur sechsundzwanzigsten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften

Meine Stellungnahme zur sechsundzwanzigsten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften als Sprecher des Bundesnetzwerk Drogenpolitik bei Bündnis ’90 / Die Grünen.

Eigentlich dachte ich die 26. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften würde „nur“ den Irrweg Substanzen willkürlich zu verbieten fortsetzen. Gestern Abend habe ich mit Erschrecken festgestellt dass der Gesundheitsausschusses des Bundesrates Substanzgruppenverbote fordert. Diese lehnen wir als BND ebenso wie die Bundestagsfraktion entschieden ab. Sie sind nicht nur ungeeignet, sie wären zudem ein Angriff auf das Bestimmtheitsgebot des deutschen Strafrechts. Mehr dazu in meiner Stellungnahme, die ich im Gespräch mit dem Büro Terpe erstellt habe. Die grün-mitregierten Länder dürfen der Verordnung im Bundesrat nicht zustimmen!

Die Empfehlung des Gesundheitsausschusses: „Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf zu prüfen, wie eine Gruppenunterstellung dieser psychoaktiven Substanzen unter das BtMG durchzusetzen ist.“ ist unbedingt abzulehnen!

Siehe auch: Pressemitteilung von Dr. Harald Terpe; Liberale Drogenbeauftragte greift zu law and order

Die Änderung der Anlagen I und II des Betäubungsmittelgesetzes in Artikel 1 der Verordnung sind abzulehnen.

Ziel der Verordnung ist laut Bundesregierung: „Mit dieser Verordnung werden zum Schutz der Gesundheit neue synthetische, psychoaktive Stoffe in die Anlagen des BtMG aufgenommen, um den Missbrauch dieser Stoffe einzudämmen und die Strafverfolgung zu erleichtern.“

Das Ziel die Gesundheit der Menschen in Deutschland zu schützen ist legitim, die Aufnahme von neuen Substanzen ins BtMG als Mittel ist weder geeignet, erforderlich noch angemessen.

Es ist nicht geeignet, weil es die Wirkung diese Substanzen vom Markt zu verbannen nicht erfüllen wird. Selbst wenn ein Vertrieb in Geschäften in Deutschland damit erschwert wird, findet bereits heute ein Großteil des Handels über das Internet statt und ist praktisch nicht kontrollierbar. Außerdem kommen schneller neue Stoffe mit einer ähnlichen Wirkung auf den Markt als sie verboten werden. Durch das Verbot wechseln die Konsumenten der verbotenen Drogen einfach auf die neuen Substanzen, die in der Regel noch weniger bekannt und erforscht sind. Es gibt zudem keinen empirischen Beleg dass Verbote und Repression geeignet sind den Drogenkonsum zu senken.

Es ist nicht erforderlich, da ein Handel mit den Substanzen auch über andere Gesetze eingeschränkt werden kann. Wir brauchen einen legalen, jedoch regulierten Markt mit qualifizierten Risikobewertungs- und Zulassungsverfahren wie sie im Bereich Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und Medikamente existieren. Dieser würde eine Vielzahl an Risiken wirksam mindern und einen mündigen Umgang damit erst ermöglichen.

Es ist nicht angemessen, da durch eine Aufnahme in das BtMG jeder Umgang mit diesen Substanzen mit erheblichen Strafen geahndet wird. Aus bisherigen der Verfolgung von BtM Delikten ist bekannt dass 2/3 der von der Polizei aufgeklärten Delikte von Konsumenten begangen werden, also jener Zielgruppe die vermeintlich geschützt werden soll.

Selbst wer das Verbot dieser Substanzen für ein geeignetes Mittel hält, sollte nicht als „unbeabsichtigten Nebeneffekt“ die Konsumenten kriminalisieren. Jede Regelung die den Besitz und Erwerb kriminalisiert ist der völlig falsche Ansatz und eine weitere unnötige Kriminalisierung von opferlosen weil – wenn überhaupt – ausschließlich selbst schädigenden Handlungen. Das es hier auch anders geht zeigt das Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz in Österreich, welches Eigenkonsum bezogene Handlungen explizit nicht sanktioniert. Rechtliche, ggf. auch strafbewehtre Regelungen für Händler können das Ergebnis einer Risikobewertung sein.

Über das Frühwarnsystem der EU kamen im Jahr 2011 49 neue Substanzen gemeldet – also im Durchschnitt eine pro Woche. 27 Amfetamine-Derivate, Cathinon-Derivate, Piperazin-Derivate und synthetischen Cannabinoide sollen nun verboten werden – also kaum mehr als die Hälfte der im letzten Jahr gemeldeten Substanzen.

Die von der Bundesregierung angeführte Gefahr der „unbekannten Verteilung der

wirksamen Substanzen in den Kräutermischungen“ ist eine Folge des völlig unregulierten Marktes und wird durch ein Verbot nicht beseitigt.

Wir Grüne fordern ein Wechsel von der Politik guter (sprich Alkohol und Tabak) und schlechter (alle anderen) Drogen hin zu einer Politik der psychoaktiven Substanzen. Wir fordern eine kohärente Klassifizierung und Regulierung für alle Substanzen auf der Grundlage einer wissenschaftlich fundierten Evaluation. Diese Maßstäbe sind auch bei den legale Drogen wie Alkohol und Tabak ebensowie bei neuen Substanzen wie den sog. Legal Highs und der E-Zigarette anzulegen. Das Primat der Gesundheit und Freiheit finden im Jugendschutz und dem Verbraucherschutz ihren Ausdruck. Bei Drogen mit einem geringen Risikopotenzial wie Cannabis wollen wir legale Erwerbsmöglichkeiten über lizenzierte Fachgeschäfte schaffen. Für die Bewertung und Zulassung von Substanzen kann auf die bewährten V zurückgegriffen werden, wie sie im Bereich Lebensmittelzusätze oder Arzneimittel üblich sind.

Undifferenzierte Verbote und die einhergehende Repression und Abstinenzdogma lassen keine differenzierten staatlichen Steuerungsinstrumente zu. Ein dann zwangsläufig entstehender illegaler Markt kennt keine Preissteuerung, keine zeitlichen und zum Beispiel für Jugendliche geltenden Schutzregelungen. Und er kennt keine Interventionen zur Schadensminderung wie zum Beispiel die Möglichkeit zur anonymen Kontrolle der Zusammensetzung zum Beispiel bei synthetischen Drogen. Das Marktverbot kann daher nur das letzte Mittel bei besonders gefährlichen Drogen sein, bei denen riskanter Konsum und Abhängigkeit deutlich überwiegen.

Laut den aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen steht Alkohol neben Heroin ganz oben auf der objektiven Gefährlichkeitsskala. Da das US-amerikanische Experiment der Alkoholprohibition klar gezeigt hat welche Folgen ein Verbot der gefährlichsten Drogen hätte, steht ein Verbot für diese und damit auch für alle weiteren weniger gefährlichen Drogen nicht zur Debatte.

Mit Blick auf die neuen psychoaktiven Substanzen teilen wir die Forderung der Länder Litauen, Niederlande, Großbritannien, Portugal, Lettland und Irland an die europäische Kommission nach alternativen Kontrollmöglichkeiten für diese Substanzen.

Die Einführung einer Stoffgruppenregelung im BtMG („Stoffgruppenverbot“) lehnen wir ab. Es löst ebensowenig Probleme wie Einzelverbote und darüber hinaus ist dieser Verfassungsmäßigkeit dieser Verbotsmethode als solche fragwürdig.

Der Konsum der neuen psychoaktiven Substanzen lässt sich zum großen Teil als Ausweichen von Substanzen wie Cannabis, Kokain, Ecstasy und Amphetamin erklären. Diese Substanzen sind meist nicht in der gewünschten Qualität verfügbar, es besteht ein erhebliches Risiko der Strafverfolgung sowie die bekannten unverhältnismäßigen Sanktionen im Straßenverkehr bei Cannabis, ohne jede Verkehrsgefährdung.

Der Effekt der Drogenpolitik ist damit paradox, da die Konsumenten von bekannten und gut erforschten Substanzen zu weitaus weniger gut erforschten Substanzen getrieben werden. Dieses Paradoxon lässt sich nur über einen legalen Zugang zu den Substanzen wie Cannabis, Kokain, Ecstasy und Amphetamin lösen. Dieser Weg wäre besser geeignet die Gesundheit der Konsumenten zu fördern als das sture Verbieten weiterer Substanzen.

Quellen:

Das deutsche Drogenkontrollsystem, Jungle World Nr. 22, 31. Mai 2012

Interview mit Dr. Werse über Legal Highs und die Paradoxie des Drogenverbots

Flut der neuen synthetischen Drogen hält an

Gegen die Änderung der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes in Artikel 1 der Verordnung sowie die Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung in Artikel 2 gibt es keinen Widerspruch.

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