Die Stellungnahmen zur Cannabis Social Clubs Anhörung am 25. Januar 2012 von Thomasius und den anderen CDU „Sachverständigen“ haben in den letzten Tagen meinen Blutdruck oft in die Höhe schnellen lassen. Als Kontrast dazu hierzu möchte ich nicht (nur) auf die Stellungnahmen der „üblichen Verdächtigen“ wie Georg Wurth oder Dr. Nicole Krumdiek hinweisen, sondern auch auf die überraschend positive und umfangreiche Stellungnahme (PDF) der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). In diesem Zusammenhang möchte ich auch aus das Buch von Dr. Raphael Gaßmann, deren Geschäftsführer, hinweisen, Cannabis – Neue Beiträge zu einer alten Diskussion ist für mich die „Bibel“ in dem Bereich.
Stellungnahme der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V. zur öffentlichen Anhörung am Mittwoch, 25. Januar 2012
Legalisierung von Cannabis durch Einführung von Cannabis-Clubs
Sehr geehrte Frau Reimann,
wie Alkohol, Zigaretten und auch alle anderen illegalen psychoaktiven Substanzen ist der Konsum von Cannabis mit gesundheitlichen Risiken behaftet. Dies gilt insbesondere für Minderjährige mit hoher Konsumfrequenz. Angesichts einer siebenstelligen Zahl von Cannabiskonsumenten in Deutschland ist dies insbesondere den in der DHS zusammengeschlossenen Suchthilfeverbänden bewusst, da jährlich ca. 23.349 Klienten in unseren ambulanten und stationären Einrichtungen wegen der Hauptdiagnose „Cannabismissbrauch oder -abhängigkeit“ Beratung und Therapie erfahren. Neben diesen Angeboten von Beratung und Therapie stützt sich die Gesundheitspolitik in Deutschland bezüglich Cannabis im Wesentlichen auf die Durchsetzung der Vorschriften des Betäubungmittelgesetzes. Vor diesem Hin tergrund hat die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen bereits im Jahr 2004 einen Vorstandsbeschluss veröffentlicht, der sich mit den Grundzügen einer epidemiologisch wirksamen Cannabis-Gesundheitspolitik befasst [1]. Diese Stellungnahme ist nach nunmehr 8 Jahren lediglich in einem einzigen Aspekt von der Entwicklung überholt worden: Die Therapie cannabisbezogener Störungen hat nach intensiven Bemühungen in Forschung und Praxis inzwischen ein hohes Niveau erreicht und erfährt auch deshalb größere Nachfrage als zuvor. Sowohl für jugendliche als auch erwachsene Cannabiskonsumenten mit gesundheitlicher und sozialer Problematik bestehen ambulante und stationäre Therapiemöglichkeiten in weitgehend ausreichendem Maß. Auch die Beratung von Angehörigen ist inzwischen etabliert, wenn auch aus finanziellen Gründen noch nicht ausreichend verbreitet.
Dem gegenüber hat leider keine nennenswerte juristische Entwicklung stattgefunden. Dabei steht nach wie vor nicht nur seit Jahrzehnten ein Nachweis positiver Wirkungen der Cannabis-Prohibition aus. Stattdessen liegen inzwischen viele Erklärungen auch namhafter Herkunft vor, die das Scheitern der Jahrzehnte währenden repressiven Drogenpolitik belegen[2].
Als Ergebnisse des absoluten Cannabis-Verbots in Deutschland müssen festgehalten werden:
1. Eine jährlich sechsstellige Zahl von Konsumentendelikten beschäftigt Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte und Rechtsanwälte.
2. Cannabisprodukte sind häufig und für Konsumenten meist unerkennbar mit extrem gesundheitsschädlichen Beimengungen verunreinigt.
3. Cannabis-Prävention findet kaum statt. Wo sie durchgeführt wird, gleich ob im Internet oder in schulischen Veranstaltungen, bewegt sie sich in einer rechtlichen Grauzone, was ihre Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit massiv mindert.
Da diese (und weitere negative Konsequenzen) mit keinerlei positiven Effekten des Cannabis-Verbots einhergehen, ist das Verbot dringend zu überdenken. Dabei sollte jegliche Freigabe des Anbaus und Besitzes von Cannabisprodukten zum Eigenkonsum aus gesundheitspolitischen Gründen mit folgenden Einschränkungen einhergehen:
1. Keine Konsumerlaubnis unter 18 Jahren.
2. Keine Erlaubnis des öffentlichen Konsums.
3. Keine Werbung für Cannabisprodukte.
Sämtliche historischen, internationalen und nationalen, praktischen und wissenschaftlichen Erfahrungen widersprechen positiven Wirkungen der Strafverfolgung des Cannabisbesitzes zum Eigenkonsum. Dessen Freigabe sollte aber auf keinen Fall mit einer Freigabe von kommerzieller Produktion und Verkauf einhergehen, da die hiermit verbundenen Interessen stets auf eine Ausweitung des Konsums ausgerichtet wären. Ein Modell des legalen Anbaus zum Eigenkonsums würde dem hingegen nicht zu einer Angebotsausweitung führen und zugleich gesundheitsschädliche Beimischungen verhindern.
Seit 2002 sind in Spanien weit über 100 Cannabis-Clubs entstanden, die nach folgenden Prinzipien betrieben werden:
• Persönliche Mitgliedschaft und Mitgliedsbeiträge
• Kein Verkauf und keine Konsumaufforderung durch Mitglieder
• Kontrollierte Sicherheit bei Anbau, Transport, Verteilung
• Kontrollierte Produktqualität
• Werbeverbot
Einer Zulassung dieses Modells sollte die Evaluation der bisherigen Erfahrungen in Spanien vorausgehen. Angesichts des dringenden Änderungsbedarfes der Cannabispolitik in Deutschland sollte dies kurzfristig durch eine deutsch/spanische Forschungsgruppe erfolgen.
Hamm, 20. Januar 2012
Dr. Raphael Gaßmann
[1] Siehe hier
[2] Hierzu anbei „Report of the Global Commission on Drug Policy“ (2011) sowie die „Wiener Erklärung“ (2011) sowie der Bericht der Subkommission Drogen der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Schweizer Nationalrats (1999, Auszug). Siehe hier