Bei aller vermeintlichen Modernisierung der CDU, im Ländle ist die konservative Welt noch in Ordnung. Hier wird weiter gegen Schwule gehetzt, Wasserwerfer werden gegen demontierende Kinder und Spitzel gegen linke Studierendengruppen eingesetzt, kaum ausgebildete Hilfspolizist_Innen mit Handfeuerwaffen ausgestattet und der Verfassungsschutz findet Antinazi-CDs bedenklich, wenn sie kapitalismuskritische Lieder enthalten. Drogenpolitisch ist Baden-Württemberg neben Bayern eine der letzten Bastionen der Politik von vorvorgestern. Selbst Hardliner wie Roland Koch in Hessen oder die CDU / Schill Regierung in Hamburg haben während ihrer Regierungszeit keinen Rollback in der Drogenhilfe gestartet.
Die Drogenpolitik der CDU in Baden-Württemberg folgt der Prämisse, dass einzig die Abstinenz von illegalisierten Drogen akzeptabel ist. Zur Verteidigung des Wertes Abstinenz wird jede_R Drogennutzer_In verfolgt. So werden die Konsumenten_Innen von Cannabis mit dem Entzug des Führerscheins bestraft, unabhängig davon ob sie bekifft Auto gefahren sind oder nicht. Jede Tolerierung von Drogennutzung, beispielsweise in Konsumräumen, in denen Menschen ihre Drogen in Ruhe und unter Aufsicht spritzen oder rauchen können, ist undenkbar.
Einer nüchternen Analyse des Drogenproblems und pragmatischen Lösungsansätzen verweigern sich die Konservativen auf Landesebene, ihre Ideologie ist Programm und die heißt Abstinenzdogma. Es wundert deswegen nicht, dass sich das Wahlprogramm der CDU zum Thema Suchtprävention und Drogenhilfe ausschweigt – ebenso wie das der FDP und SPD. In anderen Bundesländern und auf der kommunalen Ebene sind die Fronten nicht ganz so klar. Das CDU geführte Frankfurt in Hessen gehört sogar seit 20 Jahren zu den Vorreitern einer pragmatischen Drogenpolitik, hier entstanden auch die ersten Drogenkonsumräume.
Repressive Drogenpolitik tötet – Pragmatismus rettet Leben!
Eine vom damaligen Sozialminister Repnik selbst in Auftrag gegebene Untersuchung zur Analyse der Drogentodesfälle in Baden-Württemberg kam zu dem Ergebnis:
Eine der wenigen Möglichkeiten der Einflussnahme auf Drogeneinnahme am Ort des Geschehens stellt die Einrichtung von Konsumräumen dar. Diese verhindern einerseits, dass Abhängige in risikobehaftete, unhygienische und stressreiche Nischen ausweichen müssen oder Drogen alleine konsumieren. Andererseits bieten sie die Chance einer längeren Überwachung, verbunden mit der Möglichkeit psychosozialer Intervention bis hin zum Einstieg in den Ausstieg, nicht zuletzt aber die Möglichkeit zur rechtzeitigen medizinischen Hilfeleistung im Notfall.
Obwohl Sozialminister Repnik seit 2004 nicht mehr im Amt ist, gibt es bis heute keine Konsumraumverordnung im Land Baden-Württemberg. Diese ist notwendig damit Kommunen Konsumräume einrichten dürfen.
Beim Thema Drogen im Strafvollzug kann für die CDU nicht sein, was nicht sein darf. Da es ja hinter Gittern offiziell keine Drogen gibt, braucht es dort nicht die Möglichkeit saubere Spritzen zu erhalten. Realität ist dass Drogen überall verfügbar sind – auch im Gefängnis und nach Expertenschätzung etwas 30% der männlichen und mehr als die Hälfte der weiblichen Gefangenen intravenös konsumierende Drogenabhängige sind. Der Mangel an sauberen Spritzen sorgt dafür dass Gefängnisse ein Hauptverbreitungsort für Hepatitis und HIV sind. Die Substitutionsversorgung mit Methadon ohne Unterbrechungen zum Beginn und Ende der Haft ist keineswegs sichergestellt. Im ländlichen Raum ist die Versorgungslage im Bereich Substitutionsbehandlung ebenfalls unzureichend, die wenigen Ärzt_Innen die eine solche Behandlung anbieten haben meist ein enormes Einzugsgebiet. Damit haben Abhängige politische ausdrücklich gewollt nicht das gleiche Recht auf eine gute Behandlung wie es jeder Mensch mit einer anderen Krankheit hat.
Schluß mit Krimi – Angst und Schrecken im Ländle!
Die Verfolgung von Drogenkonsumenten_Innen treibt gerade in den südlichen Bundesländern die dollsten Blüten. Um einem Mythos gleich aus der Welt zu schaffen: Es gibt keine straffreie Menge z.B. von Cannabis. Jeder Krümel Haschisch oder halb gerauchter Joint, der von eine_R Polizei_In bemerkt wird, führt zu einer Strafanzeige, einer Meldung an die Führerscheinstelle und gegebenenfalls einer Hausdurchsuchung durch einen Trupp Polizist_Innen inklusive Hunde zu einer beliebigen Uhrzeit. Das Verfahren einstellen kann nur die Staatsanwaltschaft oder der/die Richter_In – und selbst dann bleibt man über Jahre im Polizeicomputer registriert.
Exemplarisch sei hier die Geschichte von einem Betroffenen erzählt, er möchte lieber anonym bleiben, nennen wir ihn einfach Kai aus einer Stadt in Baden-Württemberg, kurz vor der Grenze zu Bayern. Aufgrund der Aussage eines Bekannten, Kai sei Dealer, bekam dieser eine Hausdurchsuchung in seiner elterlichen Wohnung. Dabei wurde lediglich eine „undefinierbare Menge“ Haschisch gefunden. Alleine auf Basis der Aussagen zu seinem Konsum und der gerichtlichen Interpretation, welche Mengen er wohl dafür erworben hätte haben müssen, wurde er zu 40 Stunden Jugendstrafe verurteilt. Obwohl dieses Urteil in Kais Jugend getroffen wurde, leidet er weiterhin an der damit verbundenen Stigmatisierung. Der militärische Abschirmdienst (MAD) verhinderte wegen seinen Jugendstrafen, dass sich Kai trotz hoher Motivation und guter Bewertungen seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr verpflichten durfte.
Hinter der Grenze zu Bayern sieht es ähnlich übel aus, in Neu-Ulm wurde Ende letzten Jahres eine Technodisko durchsucht. Auf jeden der 145 Gäste kam hierbei ein_E Polizist_In, jeder von ihnen wurde in einem Nebenraum „körperlich untersucht“ – also bis auf die Unterhose. Die Bilanz
dieser massiven Intervention: Bei 17 Besucher_Innen wurde eine kleinere Menge von Betäubungsmitteln gefunden und 2 Personen wurden verdächtigt, mit Drogen gehandelt zu haben. Kommentar der Polizei dazu, die sich bewusst gewesen war, dass sie bei dieser Razzia wohl kaum große Dealer_Innen fassen würde: „Es ging darum, den Leuten aufzuzeigen, dass sie sich keineswegs in einem rechtsfreien Raum bewegen.“
Für Mündigkeit und gegen Sucht!
Wird Drogenkonsum nicht als verwerflich oder automatisch schädlich begriffen, sondern als ambivalente Verhaltensweise mit einem Genuss oder Nutzen auf der einen und meist vermeidbaren Risiken auf der andere Seite – so wie Autofahren, Sport oder Sex – begriffen, erübrigt sich eine allgemeine Drogenkonsumprävention, sie ist allenfalls noch bei Kindern das Mittel der Wahl. Ein mündiger Bürger kann nur durch Drogenbildung und eine sinnvolle Regulierung des Drogenmarktes unterstützt werden, die Bevormundung entfällt. Die Debatte ab welchem Alter dies der Fall ist, wäre sicher spannend und noch zu führen, schließlich fordert die Grüne Jugend ein Wahlalter von 0. Das Ziel von Drogenmündigkeit ist die Suchtprävention, die Instrumente sind Drogenkunde, die Förderung von Genuß- und Kritikfähigikeit sowie das Trainieren von Risikomanagement.
Grüne Drogenpolitik ist der Wechsel!
Das grüne Programm zum Thema Drogen und Sucht ist eine gute Grundlage um die eine echte Alternative zur derzeitigen Politik zu bieten. Es bleibt abzuwarten mit wieviel Schwung und Engagement es in den Landtag und einer möglichen grün+x Landesregierung eingebracht werden wird.
Zuerst erschienen in der ZITRO 1/2011.