Multiple Sklerose – Provisorische Leitlinie zum Einsatz von Cannabis als Medizin

Dieser Artikel ist Teil einer provisorischen Leitlinie zum Einsatz von Cannabis als Medizin.

Multiple Sklerose

Art der Erkrankung: chronisch-entzündliche Erkrankung, unheilbar

Prävalenz: eine der häufigsten neurologischen Krankheiten bei jungen Erwachsenen

Zugelassene Arzneimittel auf Cannabisbasis: „Sativex“ (Nabiximols); Fachinformation

Dosierung laut Fachinformation – Zusammenfassung: 1 Sprühstrahl Nabiximols enthält 2,7 mg Tetrahydrocannabinol und 2,5 mg Cannabidiol; Mittlere Dosis: Acht Sprühstöße; 3 morgens + 5 abends; 1-2 Wochen Titrationsphase

Nebenwirkungen laut Fachinformation – Zusammenfassung: Häufige Schwindelanfälle, hauptsächlich in der ersten Woche; Müdigkeit

Prof. Thomas Henze (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG)) im Deutschen Bundestag 2012 zu Sativex bei Multiple Sklerose: „Wir haben in der klinischen Praxis einen Überblick über einen Zeitraum von etwa einem Jahr und man kann sagen, dass eine Reihe von Patienten von dieser zusätzlichen Therapie profitieren. Auch nicht um dem Preis verstärkter Nebenwirkungen, sondern im Gegenteil – das Medikament ist sehr gut verträglich. Es gibt eine kleine Einschränkung: Diese betrifft Patienten, die generell nicht auf Cannabinoide reagieren. Wenn dies so ist, und das stellt sich innerhalb einer zwei- bis vierwöchigen Therapie heraus, muss das Medikament abgesetzt werden. Insgesamt aber ist es eine sehr effektive Therapie.“.

Prof. Dr. Friedemann Paul im Deutschen Bundestag 2012: Im Verlauf ihrer Erkrankung leiden 60 bis 70 Prozent der Multiple Sklerose-Patienten an mehr oder weniger starken spastischen Lähmungen und daraus resultierend an einer Beeinträchtigung des Schlafes, der Geh- und der Lebensfähigkeit insgesamt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass ein ganz erheblicher Anteil der Patienten von einer Zusatztherapie mit Sativex profitieren kann.

Ergebnis eines systematischen Review aus 2014:

  • Spastik und Schmerzen: „oral cannabis extract“ (OCE): wirksam; Nabiximols und Dronabiniol: wahrscheinlich wirksam
  • Blasenfunktionsstörungen:  Nabiximols wahrscheinlich wirksam; Dronabiniol und OCE: wahrscheinlich unwirksam
  • Tremor: Dronabiol und OCE wahrscheinlich unwirksam; Nabiximols möglicherweise unwirksam

Quelle: Koppel BS, Brust JCM, Fife T, et al. Systematic review: efficacy and safety of medical marijuana in selected neurologic disorders: report of the Guideline Development Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology. 2014;82:1556-1563. Fulltext

Metaanalyse aus der Schweiz:

«Gute Belege bestehen für die Wirksamkeit von Cannabis bei der Behandlung von chronischen oder durch Krebs verursachten Schmerzen, sowie bei Muskelkrämpfen infolge Multipler Sklerose», schrieb vor Kurzem das Bundesamt für Gesundheit (BAG) anlässlich der Publikation der grossen von diesem Amt mitfinanzierten Metaanalyse. Diese positive Bewertung und die Möglichkeit, MS-Betroffenen auch in der Schweiz legal Cannabishaltige Präparate abzugeben, rechtfertigen einen erneuten Artikel über die nicht unumstrittene Pflanze.

Nutzung von Cannabis bei MS Patienten:

North American Research Committee on Multiple Sclerosis (NARCOMS) Registry: 53% ziehen die Nutzung von Cannabis als Medizin in Erwägung, nur 20% haben mit ihrem Arzt darüber gesprochen. 25,5% der MS-Patienten haben Cannabis als Medizin für ihre MS genutzt, 16% nutzen es aktuell an durchschnittlich 20 Tagen pro Monat.

Quelle: Cofield S, Salter A, Tyry T, et al. Marijuana usage and disability in MS in the NARCOMS registry. Poster presented at: 67th Annual Meeting of the American Academy of Neurology; April 18-25, 2015; Washington, DC. Poster P1.140.