Vernünftige Drogenpolitik – Mehr als Cannabislegalisierung

Eine Denkschrift von Max Plenert aus dem Jahr 2003

Betrachtet Mensch die Vorschläge progressiver DrogenpolitikerInnen aus Parteien und Jugendorganisationen, so steht Cannabis meist im Mittelpunkt, manchmal ergänzt um Forderungen wie Drug-Checking bei Partydrogen, Heroinabgabe zusammen mit Fixerstuben und gelegentlich Werbeverbote für Alkohol und Tabak.

Hierbei sind die Forderungen im Bereich Cannabis vorsichtig (“Entkriminalisierung von KonsumentInnen”) über recht neutral (“Gleichstellung mit Tabak und Alkohol”) bis aggressiv (“Hanf für alle”, “Bekifft ficken”).

Die Themen Partydrogen und körperlich Abhängige werden in den Organisationen nur rudimentär, regional oder von kleinen Kreisen vertreten. Gerade beim letzten Thema gibt es sehr verschiedene Ansätze von pathologisch-entmündigend über sozial-pychologisch bis zu akzeptierend.

Vernünftige Gesamtbetrachtungen der Drogenpolitik, wie sie gelegentlich bei der GRÜNEN JUGEND oder anderen, meist kleinen, nicht für die Gesamtorganisation repräsentativen Gruppen auftauchen, sind die Ausnahme. Auch die mehr oder weniger progressiven Vorstellungen, die offiziell in Partei- oder Grundsatzprogrammen vertreten werden, sind weder in den Verbänden durchgehend Konsens noch werden sie von den offiziellen VertreterInnen auch ausreichend ernst genommen. Oft genug werden konträre oder nur stark eingeschränkte Vorstellungen vertreten.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob eine Cannabisreform nur aufgrund von Populismus, Wahlkampf, persönlichen Interessen oder Klientelbefriedigung angestrebt wird oder die Legalisierung von Cannabis als erster und umsetzbarer Schritt in einer umfangreichen Reform der Drogenpolitik hin zu vollkommen anderen gesehen wird.

Besonders bemerkbar macht sich dieser Unterschied in Einteilungen von Drogen in weiche bzw. gute und harte bzw. böse Drogen oder pflanzliche bzw. gute und angeblich chemische bzw. böse Drogen. Diese Einteilung ist veraltet und beschränkt eine progressive Drogenpolitik auf eine Cannabislegalisierung und die Freigabe von pflanzlichen Drogen wie Pilze oder Khat, Reformschritte für andere Konsumenten zum Beispiel im Bereich Ecstasy oder Heroin werden stellenweise ebenso verteufelt wie von repressiven Politikern.

Es ist fatal, wenn Drogenpolitik nur auf reinen Hanf-Lobbyismus beschränkt wird und in der Öffentlichkeit nicht das Stichwort “Vernünftige Drogenpolitik” im Mittelpunkt steht. Auch wenn eine vernünftige Drogenpolitik die Cannabislegalisierung als einen unter mehreren ersten Schritte sieht, müssen diese Schritte doch in einen liberalen, akzeptierenden Gesamtansatz eingebettet werden. Dieser vernünftigen, ganzheitlichen Drogenpolitik liegen die Grundprinzipien Selbstbestimmung, Subsidiarität, Sachinformation, Akzeptanz statt Abstinenz, Ambivalenz aller Drogen und die Abkehr von Drogenprävention durch Abschreckung und der Pathologisierung von Drogenkonsum zugrunde.

Hieraus lassen sich die konkreten Forderungen wie Entkriminalisierung aller Konsumenten und die Abgabe von Drogen in Drogenfachgeschäfte unter Berücksichtigung von entsprechenden Schutzbestimmungen ableiten. Maßgeblich ist der zaghaft eingeleitete Paradigmenwechsel bei Prävention und Therapie. Die veralteten Thesen der Konsum von (illegalen) Drogen sei weder steuerbar noch kontrollierbar und Folgerungen à la „Drogen haben Macht“, müssen ersetzt werden durch das Leitbild eines mündigen Drogengebrauches. Substanzkunde, Safer Use Strategien und substanzunabhängige Kompetenzen des Risikomanagements stellen zentrale Elemente dieses neuen Weges dar.

Hilfe für bei z.B. abhängigen (zwanghaften) Konsumformen muß möglichst frühzeitig und unbürokratisch angeboten werden. Eine Therapie sollte heute keine Einbahnstraße in Richtung Abstinenz darstellen, sondern kann durchaus den kontrollierten Umgang mit psychoaktiven Substanzen zum Ziel haben. Abstinenzempfehlungen sind nur legitim, wenn sie wirklich helfen Probleme zu reduzieren.

Dies sollten sich nicht nur progressive Drogenpolitiker stets vergegenwärtigen.

Als Zwischenüberschrift – Zitat: „Kiffen macht spießig“ – Jungdemokraten

Autor:
Max Plenert, 20, Physikstudent, ist Drogenpolitiker aus dem Kreis Bergstraße / Südhessen und Leiter des AK Drogen der Grünen Jugend Hessen. Des weiteren ist er in der Kommunal- und Energiepolitik aktiv.

Coautor:
Tibor Harrach, 38, Pharmazeut, Landesarbeitsgemeinschaft Drogenpolitik von Bündnis 90/Die Grüne Berlin, Sprecher des SONICS-Netzwerks für Kommunikation, Partykultur und Gesundheitsförderung, Anmelder der Hanfparade in Berlin.