Der heilige Krieg gegen die Narcoguerrilla

War on Drug is War on People, Culture and Environment

„Ich glaube, der erste Schritt zu einer realistischen Lösung des weltweiten Drogenproblems muss darin bestehen, das Scheitern der Methoden anzuerkennen, womit man dieses Übel zu bekämpfen versucht. Mehr noch als die Drogen sind es die Methoden, welche die meisten Probleme verursacht, erschwert oder verschärft haben. Darunter haben sowohl die Produzenten, als auch die Konsumentenländer zu leiden.“ Mit diesen Worten beginnt ein Manifest des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez aus dem Jahr 1993. Darin beschreibt er seine südamerikanische Sichtweise auf den War on Drugs und wie US-Präsident Ronald Reagan seiner Heimat die angeprangerten, aggressiven und repressiven Methoden aufzwang. Schon die ersten internationalen Drogenverträge waren Beschlüsse westlicher Nationalen, meist Kolonialmächte. Deren weltweite Durchsetzung, der sich die USA im besonderen verschrieben haben, war und ist der Versuch einer westlichen Hegemonie beim Umgang mit Drogen.

Nachdem Richard M. Nixon 1970 die Drogen zum Staatsfeind Nummer 1 erklärte, erreichte die weltweite Drogenverbotspolitik ein neues Eskalationsniveau, der Beginn des War on Drugs. Dieser kostete alleine die USA bisher mehr als eine Billion Dollar, weltweit mehrere Millionen Menschen die Freiheit und Hunderttausenden das Leben. Reagan führte diesen Krieg, auch aus innenpolitischem Kalkül, fort und trug ihn mit seiner Fokussierung auf Kokain nach Südamerika. Dort versuchte der 1982 frisch gewählte kolumbianische Präsident Belisario Betancur durch Friedensverhandlungen mit marxistischen Guerrillas und deren Wiedereingliederung in die Zivilgesellschaft den dort seit mehr als 30 Jahren wütenden Bürger_innenkrieg zu beenden. Die USA erreichten mit der Geburt des Begriffes „Narcoguerrilla“ eine Gleichsetzung von Drogenhändler_innen mit politischen Aufständischen. Über ein Auslieferungsabkommen zwischen Kolumbien und den USA konnten die USA in ihrem „Hinterhof“ – wie Lateinamerika zu Zeiten des Kalten Krieges genannt und genutzt wurde – nach Belieben polizeilich-militärisch intervenieren und jede friedliche Lösung zwischen Staat, den Guerrillas und den Drogenkartellen torpedieren.

1999 folgte der milliardenschwere Plan Colombia. Dieser „Plan für den Frieden, den Wohlstand und die Erneuerung des Staates“ bestand fast ausschließlich aus Militärhilfe zur Bekämpfung der „Narcoguerrilla“ und feuerte den bis heute andauernden Bürger_innenkrieg weiter an. Zudem beinhaltet er den flächendeckenden Einsatz von biologischen und chemischen Waffen gegen Coca-Pflanzen – mit verheerenden Folgen für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen. Wie sehr auch die deutsche Drogenpolitik auf US-Kurs war, zeigt ein Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2004, in dem der Plan Colombia ausdrücklich unterstützt wird.

Wie verlogen die Drogenpolitik der USA war, zeigte sich zum Jahreswechsel 89/90, als die USA in Panama „intervenierte“. Bei diesem Verstoß gegen das Völkerrecht und die Souveränität des Staates Panama sollte die dortige Diktatur Noriega gestürzt und deren Drogenhandel unterbunden werden. Dieser stand allerdings mehr als ein Jahrzehnt auf der CIA-Gehaltsliste und dessen Kokaingeschäfte mit dem kolumbianischen Medellín-Kartell wurden, als er noch für die Vereinigten Staaten Waffen an die Contra-Rebellen in Nicaragua schmuggelte, von der US-Regierung toleriert.

Aktuell läuft mit dem Plan Mérida eine milliardenschwere Aufrüstung Mexikos. Es ist somit kein Wunder, dass die ehemaligen Präsidenten von Brasilien (Fernando Henrique Cardoso), Mexiko (Ernesto Zedillo und Vicente Fox) und Kolumbien (César Gaviria) sich inzwischen für eine andere Drogenpolitik stark machen, wie sie aktuell die „Wiener Erklärung“ fordert.

Ein weiterer Aspekt des War on Drugs betrifft den Coca-Strauch und seine Blätter. Diese werden von den Menschen in Amerika seit mehr als 3.000 Jahren genutzt, waren und sind Bestandteil vieler der dortigen Kulturen. Während das erste generelle Cocaverbot der spanischen Eroberer in Neuspanien aus dem Jahr 1560 nicht lange in Kraft war, stellt der War on Drugs für die Menschen in Südamerika einen Vernichtungskrieg gegen ihre Kultur dar. Der Widerstand gegen die Ausrottung von Coca hat Politiker_innen wie Evo Morales hervorgebracht. Der ehemalige Gewerkschaftsführer der Coca-Bäuer_innen hatte 2006 als Präsident Boliviens die Möglichkeit, vor der UN-Generalversammlung demonstrativ ein Coca-Blatt zu kauen. Seine Rede, in der er die Bedeutung von Coca für sein Volk beschrieb, war somit eine Anklage für eine nicht nur Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte alte Verletzung der kulturellen Menschenrechte.

Progressive drogenpolitische Organisationen wie die European Coalition for Just and Effective Drug Policies (ENCOD) oder der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (akzept) sehen die Coca-Bewegung in Südamerika als Verbündete im Kampf für einen weltweiten Wandel in der Drogenpolitik. Sie alle verbindet die Vision einer Drogenpolitik, welche die Menschenrechte auf Freiheit, Frieden, Kultur und eine intakte Umwelt achtet.

Dieser Text erschien zuerst in einer gekürzten Version in der Zeitschrift SPUNK Ausgabe 52.